Mehr EU - und eine Menge Deutschland / More EU - and a lot of Germany
english below...
Bei allem, was die EU so macht, macht sie durchaus ein paar Sachen so richtig richtig. Und da wir uns bei meinem heutigen Thema ein wenig in Richtung meines beruflichen Interesses bewegen, tauche ich glatt ein bißchen tiefer ein:
Eines der - nicht nur, aber eben auch meiner - wichtigsten Anliegen im Zusammenhang mit der Verringerung des menschlichen Einflusses auf den fortschreitenden Klimawandel ist die Sache mit der Energiegewinnung. In allen Modellen, die von amtlicher deutscher Seite vorliegen und diskutiert werden (ohne einer guten Lösung nahe zu kommen), wird weiter die zentralisierte Energieerzeugung und deren Verteilung über aufwändige Langstrecken-Leitungssysteme propagiert. Das könnte man machen, wo die Voraussetzungen dafür bereits gut sind. Bei uns ist das nicht der Fall! Wie auch in den meisten anderen Ländern, die vor genau der gleichen Herausforderung stehen - und sehr anders damit umgehen. Die Dezentralisierung der Energieversorgung ist überall sonst angekommen und auf der Agenda, außer hierzulande. Hier werden weiter die Interessen der großen Energiekonzerne bedient und die der Allgemeinheit komplett vernachlässigt. In keinem anderen europäischen Land ist der Strompreis so hoch wie in Deutschland. In keinem anderen Land ist es so kompliziert, sich selbst mit Strom zu versorgen. Dabei ist die Rede nicht von der nötigen Technik: wer immer eine Photovoltaikanlage auf seinem Dach hat, weiß ein Lied davon zu singen, wie schwer man an (immer geringer ausfallende) Fördermittel kommt, wie hoch der bürokratische Aufwand ist, was man alles nicht darf in Sachen Eigenbedarfsdeckung und, und, und...
Die EU hat sich, nicht zuletzt auf Drängen der Initiative für Bürgerenergie, des Problems angenommen und im Juni bekräftigt, was eigentlich schon seit 2018 verbindlich geregelt ist: Den genauen und ausführlichen Wortlaut kann man gerne im verlinkten Gesetzespaket nachlesen, aber im Wesentlichen geht es darum, daß Deutschland mit all seinen raffinierten Hemmnissen - dazu gehören die Verpflichtung der Einspeisung selbst erzeugten Stroms ins öffentliche Leitungsnetz; das Verbot, sich zu Erzeuger- und Nutzergemeinschaften zusammen zu schließen; die Deckelung der privaten Stromerzeugung auf Anlagengrößen bis zu 10kW; der Ausschluß von europäischen Fördermodellen etc. - gegen geltendes europäisches Recht verstößt und innerhalb der gesetzten Frist versäumt hat, wie gefordert Abhilfe zu schaffen.
Die Initiative Bürgerenergie hat daraufhin in einem Offenen Brief an das Bundeswirtschaftsministerium, namentlich an den zuständigen Minister, Peter Altmaier, die Erfüllung des EU-Rechts in der Form verlangt, als daß die Deckelung aufgehoben und die unzulässigen Hemmnisse für Selbsterzeuger in der deutschen Gesetzgebung umgehend beseitigt werden. Für eine verbindliche Zusage und einen dezidierten Zeitplan wurde eine Notfrist von drei Monaten eingeräumt.
Innerhalb der wiederum nichts geschah! Eine Antwort auf den Offenen Brief ging Ende September ein. Der Wortlaut war wohl formuliert, aber ich wähle absichtlich kein Zitat, sondern folgende flapsige Wiedergabe, um den Grad der Verarschung zu demonstrieren, den die absolut engagierten Initiatoren verspürt haben müssen: He - wir hatten und haben doch Corona! Wir sind die ganze Zeit damit beschäftigt, allen möglichen Leuten Hilfszahlungen zu bewilligen (oder eben abzulehnen). Was sollen wir denn noch alles machen?? Im übrigen betrachte man das Anliegen als hinreichend bedient mit dem gegenwärtigen Rechtsstand...
Okay. Seit dem 4.10.21 ist in dieser Sache Klage am Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland anhängig und es bleibt abzuwarten, wie der Amtsschimmel weiter über die Energieweide ..., ähm ..., Energiewende hinweg galoppelt.
Wer tiefer in die Materie einsteigen mag:
english version:
For all that the EU does, it does a few things really right. And since today's topic is a bit related to my professional interests, I'll dive a little deeper:
One of the most important concerns - not only, but also mine - in the context of reducing human impact on advancing climate change is the matter of energy production. In all the models that are available and being discussed on the official German side (without coming close to a good solution), centralised energy production and its distribution via costly long-distance transmission systems continues to be propagated. This could be done where the conditions are already good. This is not the case here! As isn't the case in most other countries that face exactly the same challenge - and deal with it very differently. The decentralisation of energy supply has arrived and is on the agenda everywhere else, except in this country. Here, the interests of the big energy companies continue to be served and those of the general public are completely neglected. In no other European country is the price of electricity as high as in Germany. In no other country is it so complicated to supply oneself with electricity. And we're not talking about the necessary technology: anyone who has a photovoltaic system on their roof knows a thing or two about how difficult it is to get (ever-decreasing) subsidies, how much red tape is involved, what you're not allowed to do in terms of covering your own needs, and, and, and...
The EU has taken on the problem, not least at the urging of the Citizens' Energy Initiative, and in June confirmed what has actually already been bindingly regulated since 2018: You are welcome to read the exact and detailed wording in the linked legislative package, but the gist is that Germany, with all its sophisticated barriers - including the obligation to feed self-generated electricity into the public grid; the ban on joining producer and user associations; the cap on private electricity generation to plant sizes of up to 10kW; the exclusion from European support schemes, etc. - is in breach of current European law. - The Commission is of the opinion that the German government has violated applicable European law and failed to remedy the situation as required within the set deadline.
The Citizens' Energy Initiative then sent an open letter to the Federal Ministry of Economics, namely to the responsible minister, Peter Altmaier, demanding compliance with EU law in the form that the cap be lifted and the inadmissible barriers for self-generators in German legislation be removed immediately. An emergency deadline of three months was granted for a binding commitment and a definite timetable.
Again, nothing happened within this period! A reply to the Open Letter was received at the end of September. The wording was well formulated, but I deliberately choose not to quote it, but rather the following flippant rendition, in order to demonstrate the degree of foolishness that the absolutely committed initiators must have felt: Hey - we had and have Corona after all! We are busy all the time approving (or rejecting) aid payments to all kinds of people. What else are we supposed to do? For the rest, consider the request sufficiently served by the current state of the law...
Okay. Since 4.10.21, a case has been pending against Germany at the European Court of Justice and it remains to be seen how the official horse will continue to gallop over the energy pasture ..., er ..., energy turnaround.
For those who want to delve deeper into the matter:
Es ist doch interessant, welche Alternativen zur aktuellen Energieversorgung es nach dem Willen der EU schon geben sollte. Auch wenn die dezentrale Energieversorgung nicht für jeden machbar oder sinnvoll sein wird, ist es wichtig, Rahmenbedingungen für die zu schaffen, die solche Möglichkeiten nutzen wollen.
Ich habe leider bereits Erfahrung mit der Anmeldung einer 300-W-PV-Anlage (ist ja eigentlich keine "Anlage", sondern nur ein Modul) machen müssen. Dies und das Thema "Steuern" haben uns immer noch von der Anschaffung einer größeren Anlage abgehalten.
LG @moecki
Verstehe ich total. Dürfte nicht sein, ist immer noch so. Und das halte ich für grob fahrlässig und sträflich und es ist schlicht Rechtsbeugung an oberster Stelle. Macht mich wütend. Man will keine wütenden weißen Raben...
Schwarze Raben will man auch nicht wütend - die hacken ganz schön zu... ;-)
Schönes WE,
Chriddi
Ich hatte bereits 2 Mal einen Job verloren. Da arbeitete ich in sehr Energie fressenden Firmen. 1x in einer Schmiede und einmal in einer Gießerei. Bei beiden hat der Berliner Senat die Energie-Subvention gestrichen und beide sind dann abgewandert aus DE. Ich habe mich dann umschulen lassen und bin seit dem ein IT-ler :-). Ich habe es geliebt Schmied zu sein. Das war so ein geiler Job.
That's what I mean.
Ändert sich jetzt wo die Grünen mit in der Regierung sein werden. Laut denen soll auf jedes Dach eine Solaranlage und wie ich die kenne, werden dafür auch Fördergelder fließen.
Ich bin skeptisch. Daß sie das durchsetzen wollen, glaube ich gerne. Aber mein Vertrauen in das Funktionieren dieser schönen Ideen in der Realität ist erschüttert. Ich sehe Lobbyismus und Korruptionan allen Fronten und in einer Ausprägung, die jede Bananenrepublik vor Neid erblassen läßt. Ich wünsche uns, daß Du recht behältst!
Uihh, bei Euch auch? Hier in Spanien geht es scheinbar auch ziemlich korrupt zu. Eigene Initiativen sind angeblich auch hier sehr schwierig und unser Strompreis liegt seit dem letzten Jahr 6x höher. Das wird hier noch Zoff geben, wenn das sich nicht bald verbessert. Viele können die Rechnung gar nicht mehr bezahlen.
...das war in Spanien nie anders @umdenker @weisser-rabe, übrigens wie auch in Italien, Portugal, Frankreich und vor allem in Deutschland, na in Polen auch noch in Griechenland und Zypern ebenfalls, in all den Ländern haben wir projektiert und gebaut (und projektieren und bauen teilweise immer noch) es ging so gut wie nie ohne irgendwelche "Sonderzahlungen" die übrigens nicht immer zum Erfolg geführt haben.
In Spanien ist es wegen den Stromrechnungen noch human weil dort die Stromrechnungen von den ärmeren zum Teil oder ganz von den Kommunen bezahlt werden, das kannst du in D knicken ;)
Was die Freiheit des Energierechts angeht so ist Spanien da ganz weit hinten hier herrschen IBERDROLA und ENEL/ENDESSA, selbst kleine isolierte nicht ans Netz angeschlossene Anlagen müssen extreme Genehemigungsverfahren durchlaufen, und werden im Zweifelsfall auch gar nicht erst genehmigt wegen Brandgefahr, Umweltgefährdung etc. und wenige Wochen später läuft ein Antrag des Strommultis auf eine Großanlage in einer Entfernung von weniger als 5 KM bei der Genehmigungsstruktur auf (eine Stabstelle der Iberdrola).
Selbst erzeugten PV-Strom durftest du teilweise und darfst du aktuell auch nicht ungenehmigt verbrauchen, Gebühren für die Erzeugung müssen entrichtet werden, es ist der Witz !
Wir wollten mehrere Mobilhome (Container) Standorte errichten mit 100% Eigenstromversorgung, ohne Netzanschluss ---> abgelehnt Umweltgefährdung, an einem dieser Plätze hat die Guardia Civil ihren Beschlagnahmeplatz nebenan dort laufen seit Jahren Motoröle und Kraftstoffe der Beschlagnahmten Kraftfahrzeuge und Boote direkt ins Erdreich !?
schöne Grüße aus dem sonnigen und warmen Süden aus Andalusien
Das macht mich wütend. Schon wieder. Fazit 1: es braucht mehr und konzentriertere Klageeinreichungen, um die Nationalstaaten zu zwingen, hier eindeutig übergeordnetes europäisches Recht im Interesse der Bürger umzusetzen. Fazit 2: es bedarf Petitionen / Eingaben / Interventionen gegen Umweltsünden auf behördlicher Seite, die eigentlich noch einmal ganz anderen Standards unterliegen (und zwar strengeren). Fazit 3: ich bleibe wütend.
Hier spricht jemand, der Ahnung hat. Jedenfalls hinterlässt Du diesen Eindruck bei mir. Ich sehe das übergreifend und nennen es pauschal Korruption. Aber mach mal den Mund hier auf, dann wirst Du wieder als Ausländer direkt in Deine Schranke verwiesen. Was so schlimm ist, dass die derartig frech vorgehen, dass sie das nicht einmal versuchen zu verstecken. Hier wird sehr deutlich gezeigt, wo die Macht ist und was für ein armes Würstchen man selbst ist.
Ja, same here. Eine Statistik des vergangenen Jahres besagt, 2,4% der deutschen Haushalte haben gefroren, weil nicht genug Geld für die gestiegenen Heizkosten da war. Das hinkt etwas, weil da auch Versorgungseinstellungen wegen aufgelaufener Schulden inbegriffen sind, aber es ist krass. Diese Wintersaison wird eine Vervierfachung erwartet (Sozialverbände)...
Ich denke viel über diese Sachen nach. Auch über Deine Posts, wo Du uns erklärt hast, was Du unter Eigenverantwortung verstehst. Gerade hier wird sehr klar, wie abhängig wir gemacht wurden und gemacht werden sollen. Und wir sind derartig im Alltag gefangen, dass wir nicht einmal durch die offene Käfigtür heraustreten und etwas anderes beginnen. Ich sitze gedanklich schon wieder auf meinen Koffern. Allerdings wird es ja mittlerweile überall auf der Welt immer enger. Ich starre schon so einige Zeit auf meine Käfigtür und habe das Gefühl, zeitnah eine zusätzliche Entscheidung treffen zu müssen, da ich durch die bisherigen noch keine zufriedenstellenden Veränderungen erreicht habe, nur so halb.
Es tut mir leid, das jetzt so zu hören. Du wirktest schon deutlich zuversichtlicher und "erlöster". Dieses nur so halb kann aber auch Teil einer Phase sein, die noch ein wenig Kraft und Geduld erfordert. Also bleibt es bei Deinem Weg und dem Ziel näherst Du Dich weiter schrittchenweise...
Danke für dein Engagement. Zu was auch immer das führen nag,
!invest_vote
@udabeu denkt du hast ein Vote durch @investinthefutur verdient!
@udabeu thinks you have earned a vote of @investinthefutur !