Die Nichte 'Reichel' und ihre nachhaltigen ArgumentesteemCreated with Sketch.

in #deutsch7 years ago

Die Klingel, der Pudel, die Nichte Reichel und alles was zu ihr gehört …

Teil 1


Ich muss unbedingt meine Haustürklingel auswechseln. Bisher war ich zwar der festen Meinung, die uralte Klingel, deren monotoner Rington erst dann ein Ende findet, wenn der ankommende Störenfried seinen Finger wieder von dem vergilbten Knopf zurückzieht, sei leichter zu ertragen, als dies nervige Ding-Gong, wie es jetzt fast überall aus Häusern und Wohnungen schallt.

antikes-türklingel.jpg

Doch seit heute, kurz nach vierzehn Uhr, überdenke ich meinen bisherigen Standpunkt in Sachen Lärmbelästigung durch veraltete Haustürklingeln. Momentan schwanke ich noch zwischen zwei Möglichkeiten, wie mir zukünftig jemand sein Begehren auf Einlass signalisieren könnte.
1. Durch das Aufleuchten parallel geschalteter, roter Warnleuchten
oder
2. ein kräftiger Schwall aus der Nebelmaschine (die ich mir vor nicht allzu langer Zeit von einem komplett abgefahrenen Typen hatte aufschwatzen lassen).

Das Klingel-Fass zum Überlaufen brachte (und das steht außer Frage) die Nichte der alten Frau Reichel. Bei Frau Reichel handelt es sich um meine Nachbarin, die nicht nur unschätzbar alt ist, dazu wohl auch seit Einführung der Meldestatistik die gegenüberliegende Wohnung in Beschlag genommen hat. Wir sehen uns eher selten. Doch wenn uns das Schicksal zur gleichen Zeit mal in das Treppenhaus treibt, sind stets Friede, Freude und Eierkuchen die Ideengeber unseres Smalltalks. Brenzlig wird es lediglich, wenn die alte Schachtel in Begleitung ihres verzogenen Köters ist, von dem sie voller Stolz behauptet, es sei ein Pudel mit ganz erlesenen Stammbaum.
Mir ist es vollkommen wurscht, unter welchem Baum oder an welchem Stamm dieses Mistvieh gezeugt wurde. Alles was ich mit Sicherheit weiß, dass er gänzlich zerfetzt, was er zwischen seine Zähne bekommt. Ob das meine Laufschuhe waren, die ich in einem Anfall von Reinlichkeitsbewusstsein vor meiner Tür habe stehen lassen, da der Matsch eines Querfeldeinlaufes sich partout nicht mehr von den Sohlen trennen wollte. Oder das Päckchen voller süßer Leckereien, das eine Freundin als Geschenk vor meiner Tür ablegte, da sie im feuchten Schlüpfer nicht länger wartend vor meiner Tür sitzen wollte.

Ein kurzer Blick durch den Türspion genügte, um eine erste Diagnose zu erstellen. Wenn die Nichte nicht einen kompletten Dachschaden hat, musste sie zumindest von dem Wurzelsaft des Stammbaumes ernährt worden sein, von dem der gemeingefährliche Kläffer ihrer Tante ein winzig kleiner Ast zu sein behauptet. Denn viel anders konnte ich mir ihr Verhalten vor meiner Tür nicht erklären.
Der leicht schräg positionierte Körper verlieh dem ausgestreckten Arm genau den nötigen Druck, den dieser wiederum benötigte, um den Daumen regelrecht in meinen Klingelknopf zu bohren. Diese Position behielt die dumme Nuss dann auch inne, bis ich nicht fluchend die Eingangstür aufriss.


busen.jpg

Da stand sie nun – ohne ein Lächeln, ohne Begrüßungsfloskel oder gar eine Entschuldigung wegen des lang anhaltenden Klingelterrors. Mit einem leicht schneidigen Unterton (wo sie diesen eingeübt hatte, würde mich auch mal interessieren) machte sie mich darauf aufmerksam, dass ich in den nächsten Tagen mit der Zustellung einer saftigen Schadensersatzklage seitens ihrer Tante zu rechnen habe. Wie ich aus der darauf folgenden Ladung übler Verfluchungen und Beschimpfungen herausfiltern konnte, sei dieser Vorgang Bezug nehmend auf die von mir zu verantwortende, hinterlistige Tötung eines geliebten Mitglieds aus dem Haushalt ihrer Tante. Das Schriftstück werde mir in den nächsten Tagen per Einschreiben zugestellt. Erst ganz zum Schluss der Tirade wurde das eigentliche Geheimnis gelüftet.
Der Pudel habe vor wenigen Minuten den berühmten Löffel zur Seite gelegt und sich damit ohne großes Gebell in die ewigen Jagdgründe zurückzogen.

Trotz der schwerwiegenden Beschuldigung und des mir drohenden Ausflugs auf das verminte Terrain geldgieriger Winkeladvokaten konnte ich mich irgendwie nicht richtig auf die Beschimpfungen, Drohungen und Prophezeiungen konzentrieren, die wie aus einem Putzeimer über mich gegossen wurden. Ich starrte lediglich wie paralysiert auf die beträchtliche Oberweite, die die Kleine stolz geschwollen über meine Türschwelle hielt. Auch auf das letzte Angebot der Nichte Reichel, mit einer sofortigen Zahlung von dreihundert Euro die Sache vergessen machen zu lassen, ging ich nicht ein. Denn in Gedanken waren meine Hände schon unter diesem eng anliegenden Oberteil. Zu sehr beschäftigte mich die Frage, wie sie wohl auf kleine Tätlichkeiten reagieren würde, als, dass ich verstanden hätte, mit meinem Schweigen die letzte Chance zur Vermeidung einer Klage verspielt zu haben. Ohne weitere Worte zu verlieren, nahm sie ihre Brüste aus meinem Blickfeld und trug den prachtvollen Vorbau in die gegenüberliegende Wohnung, wo die Tante garantiert hinter der Tür lauerte. Für diese beiden Schrullen schien der Fall damit vorerst erledigt. Die Justiz konnte übernehmen.



Für mich nicht. Ich beschäftigte mich nämlich noch die halbe Nacht gedanklich und in gewohnter Heimarbeit mit den weiblichen Attributen der Nichte Reichel.
Sort:  

Herrlich. Musste mich kugeln. Schreib mehr!!! :-)

Nicht zu lange kugeln, denn heute (mit dem 2. Teil) treffen wir uns dann wieder im Treppenhaus.
anke für den Kommentar
Gruß, Wolfram

Großartig

Ich bin selbst auf das gespannt, was da noch kommen mag.
Vielleicht morgen schon?!
Gruß, Wolfram

Coin Marketplace

STEEM 0.18
TRX 0.16
JST 0.030
BTC 67827.94
ETH 2681.67
USDT 1.00
SBD 2.70