In dubio pro dubio
Zweifel contra Verzweiflung
Wörter, die sprachlich miteinander verwandt sind, hatten meist in der Vergangenheit einen gemeinsamen Ursprung oder eine aufeinander bezogene Geschichte. Aber daraus zu schließen, dass auch heutigentags die semantischen Felder noch ineinander greifen oder dicht beieinander liegen, ist durch nichts gerechtfertigt.
Apropos nichts: Das Nichts und die Vernichtung scheinen in einem einfachen und sehr direkten Zusammenhang zu stehen. Bei der Suche und der Versuchung ist das Bedeutungsverhältnis deutlich komplizierter. Und ich denke, das ist beim Zweifel und der Verzweiflung eher noch komplexer, auf keinen Fall aber so übersichtlich wie bei Nichts und Vernichtung.
Meist sind es die alltagssprachlichen, die diffusen Verwendungen der Wörter, die emotional aufgeladen, aber nicht geistig durchhellt sind. Eine ernsthafte Beschäftigung – ich nenne sie die philosophische, weil sie in der Tat mit Philosophie durchwürzt ist – wirft nicht nur ein anderes Licht auf den Zweifel, sondern auch auf die Verzweiflung, und auf einmal liegen die beiden Bedeutungsfelder deutlich weiter auseinander, als es am Anfang den Anschein hatte.
Um Verzweiflung aus dem alltagssprachlichen Umfeld heraus zu holen, wo das Wort wenig mehr bedeutet als ein stark kummervolles Gefühl der Hoffnungslosigkeit, so dass nur Umweg über (Suche nach) Ausweg und (vermeinte) Ausweglosigkeit noch die zugehörige Verbindung von Zweifel und Verzweiflung erkennen lässt - - was schwafle ich da?!
Von vorne. Aber ohne zurück zu gehen und das vorige zu löschen.
Da ist also diese Weg-Gabelung. Vielleicht bin ich in einem Irrgarten und suche den Ausgang, oder ich bin in einer Problemlage und brauche eine Lösung oder einen Ausweg. Rechts? Links? Ich weiß es nicht. Manches scheint für die eine Seite zu sprechen, aber manches auch für die andere. Alltagssprachlich bin ich also im Zweifel, welcher Weg der richtige wäre, der bessere, derjenige, der die Lage zu meinen Gunsten verändert. Ich will eine Entscheidung treffen und habe doch nicht ausreichend Informationen, um sie abzusichern, sei es emotional oder intellektuell.
Sagen wir, ich entscheide mich für die rechte Abzweigung, und malen wir uns aus, wie ich über kurz oder lang an derselben Stelle ankomme. Nehmen wir (immer noch pluralis concordiae) an, dass ich mich noch erinnern könne an die frühere Situation und Entscheidung. Darum gehe ich jetzt nach links. Nun aber passiert es, stelle ich mir vor, dass ich abermals an derselben Stelle angelange. Ist meine Lage folglich ausweglos? Kann ich die Problemsituation im Rahmen meiner Möglichkeiten nicht auflösen? Verliere ich die Hoffnung auf eine mir günstig scheinende Lösung? Werde ich, ja muss ich infolge dessen verzweifeln?
Kierkegaard – wie ignorieren den Luftsprung nach Dänemark – sagt: Nö. Oder vielleicht besser: Nø. Was du erlebst, sagt Kierkegaard (zu mir), ist die Reibung und Spaltung zwischen dir und der Welt. Das ist unangenehm, schmerzlich, tut richtig weh. Aber Verzweiflung ist das nicht. Verzweiflung ist vielmehr, wenn du nicht eins bist mit dir selbst, und wenn dir das klar und deutlich bewusst wird und du nun einerseits mit sehr viel Energie und vielleicht auch Angst, aber möglicherweise gar nicht so arg kummervoll, der sein willst, der du bist – und auf der anderen Seite mit der selben Leidenschaftlichkeit gerade der nicht sein willst, der du bist.
Und genau dorthin wirst du gelangen, wenn du den methodischen Zweifel von Descartes nicht allein auf wissenschaftliche Fragen anwendest, sagt Kiergaard (zu mir), sondern auf dich selbst, auf dein Woher und dein Wohin, auf dein Warum und Wozu. Wenn du also wirklich konsequent sein und nicht in der Beliebigkeit dümpeln willst. Oder in der Illusion eines zum Gehäuse verkrusteten Weltbilds.
Von Hegel, über den ich (Kierkegaard) gerne spotte, gibt es den Satz, es sei gleichermaßen tödlich für den Geist – ein System zu haben und keins zu haben. Der Geist (oder Hegel?) müsse sich also entschließen, beides miteinander zu verbinden. Der Kernsatz der Hegelschen Synthese aus These und Antithese. Wie das genau gehen soll, stelle ich mir als eine Art Jonglieren vor: Der Jongleur hat seine Kugeln oder Keulen in den Händen und doch auch wieder nicht. Ein Teil davon ist ständig in der Luft. Das System des Geistes, das er hat und gleichzeitig nicht hat, ist also vielleicht ein Spiel mit Elementen, die immer kreisen und dabei abwechselnd in der Luft fliegen, ein artistisches Schaustück. Sagen wir, sie bleiben in der Schwebe, das klingt versöhnlicher.
(Dass Hegel sich wie Helge buchstabiert, ist sicherlich nur Zufall, den ich hier gar nicht erwähne.). Was ich (Kierkegaard) hingegen behaupte, ist, dass es für den Zwiespalt, selbst sein zu wollen und doch gleichzeitig lieber ein anderer zu sein, keine Synthese gibt. Keine Jonglage, keine Artistik, kein Spiel, keine Show. Hier gibt es nur eine Entscheidung: entweder – oder. Die Entscheidung scheinbar noch nicht zu treffen, nachdem die Einsicht in deren Notwendigkeit bereits da ist, ist schon eine vor dir selbst versteckte Entscheidung für eine der beiden Seiten.
Gut, denke ich, meinetwegen. Jetzt habe ich Sören aber genug babbeln lassen. Denn wie ich weiß oder zu wissen meine, sieht Kierkegaard bei dieser Entscheidung die Hand Gottes am Werk: Zur Entscheidung, sich verloren zu geben, sich selbst zu negieren, um den Rest einer geglaubten Erlösung anheim zu stellen, und von dort zu einem Paulinischen „nicht ich, sondern Christus in mir“ zu gelangen, dazu ist der Zweifel nämlich nicht in der Lage. Da geht dann die Philosophie über in eine Theologie. Ein – wie mir scheint: verzweifelter – Schritt, an dessen Alternativlosigkeit ich zweifle.
Und hier kommt der Clou: wenn ich an meiner Verzweiflung zweifle, wenn ich imstande bin, mein Dilemma zu beleuchten und ein bisschen Licht hinein zu bringen, dann führt der Zweifel gerade nicht in die Verzweiflung, sondern aus ihr heraus. Der erkenntnis- oder wissenschaftstheoretische Zweifel ist dem existenziellen Zweifel in dieser Hinsicht wohl doch nicht so verschieden, wie Kierkegaard anzunehmen schien, wenn er den ersteren für eine Einbahnstraße hielt.
Der eigene Zweifel an der eigenen Verzweiflung ist natürlich meta-arrogant. Das von Kierkegaard gegeißelte Verharren im ästhetischen Spiel, das reine Betrachten meiner selbst, als sei ich der Fettklumpen in einem Beuysschen Kunstwerk, wäre so schlimm wie das inhaltsleere „ich denke“ des Descartes. Bei keinem der beiden möchte ich stehen bleiben.
Insoweit behält Sören Kierkegaard recht: es ist ein Glaube vonnöten, nämlich eine Entscheidung für Werte, an die ich glaube, nachdem ich sie ausreichend hinterfragt und bezweifelt habe, getreu dem Motto: „Ich musste das Wissen aufheben, um für den Glauben Platz zu bekommen.“ Das schrieb einer der Vier Weltweisen, die in einem Park des Tokioter Stadtbezirks Nakano in einem Schrein dargestellt sind, und keiner davon heißt Smudo oder Michi, aber zwei sind aus Europa. Der gemeinte Glaube ist ein Glaube an Werte, an eine geordnete Hierarchie von Werten, deren höchster einen vielfach beschworenen, einen ebenso häufig geschmähten Namen trägt, aber von den wenigsten verstanden und wirklich ernst genommen wird, auch ich hinke da ganz schön hin und her und hinterher.
Bleibt noch zu erwähnen, dass ein bis heute unübertroffener Zweifler ebenfalls in jenem Schrein sein würdigendes Andenken als einer der Vier erhielt und dass dieses Bohrmonster niemals im Verdacht stand, einen in die Verzweiflung zu führen – außer im alltagssprachlichen Sinn: als Nervensäge vom Dienst. Wehe dem, der von diesem Fragesteller auf dem Marktplatz in eins seiner meist harmlos beginnenden Gespräche verwickelt wurde! Oder vielmehr: wohl dem, der sich diese Therapie (die ihr Erfinder gerne Hebammen-Kunst nannte) gefallen ließ!
In dubio pro dubio.
Foto: ty-ty
Um´s mal so zu machen :
Höhö , jöjö , also die Analyse zeigt , oben 100% Mensch , hier 100% AI .#Es allerdings würde ein #TYPISCH einwerfen , ja , Tysk halt #VOLLTYSK , so zu tun als wäre die tyske Deutung der beschriebenen Sachverhalte maßgeblich dabei .
Wenn das so wäre , dann fehlt ja eindeutig der Bezug zum Dreifel oder Vierfel sogar , dann kommt schließlich nach dem Neunundneunzigfel , höhö , der Würfel .
Ja oder nein , links oder rechts , immer nur zwei Pole , deshalb die Zweifel .
Dass das Englische doubt oder auch Dein Titel : dubio , keine Rolle spielen , tja .
So kommts dann auch zwischen Kierkegaard und Descartes zu keiner Einigung, denn auch die Dänen habe den tvivl ....
...und du gehst davon aus, dass "doubt" nix zu tun hat mit "double" und "dubbing"?
Dubio und duo?
Egal - der erste Teil funktioniert jedenfalls in Englisch nicht, "doubt" und "despair" bringt man nicht so leicht in Beziehung wie "Zweifel" und "Verzweiflung". Und jetzt kommt der Witz der großen Jungs: genau das war der Kern der Aussage... Steht irgendwie auch als Klartext drin.
Höhö , hast´ja Recht , ja.
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Äähmmm...
Nix an Widerworten? Keine Hinweise auf Mirko-Aggro?
Ist das jetzt tatsächlich die Zeitenwende, oder wie oder was?
Oder anders: Was'n los? Wie geht's?
Wo steckt eigentlich die Black Mädschn Wumme?
Janee , hatte die gewünschten Dinge schon in den Fingerlein gehabt, und sogar tippfiziert , aber nee , und #Es hatte ja Recht wie !man jetzt sieht .
#WASSNLOSMITDIA , höhö , jaja , das fragt !man das #Es wenn´s nicht mehr so funktioniert wie´s erwartet wird , jaja .
Deshalb nimmt #Es genau diese Frage als etwas makroigere Mikroaggression , hihi , jaja .
Und nimmt #Sich dann also das Recht für das und Verlinken hier zu ->
!invest_vote
Zweifel ist der größte Feind des Glaubens.
Man kann nicht glauben wenn man zweifelt. Und nicht zweifeln wenn man glaubt. Also jeweils tatsächlich und nicht nur als Lippenbekenntnis.
Ich denke schon, dass der Zweifel gute Dienste leisten kann. Die letzte Gewissheit erreicht man damit nicht. Auf manches muss man sich einlassen und es einfach glauben.
Wer sagt das, und worauf gründet sich diese Behauptung?
Wer das sagt weiß ich nicht.
Naja.
Entweder man zweifelt, dass Gott existiert oder nicht.
Entweder man zweifelt, dass die Bibel Recht hat oder nicht.
Entweder man zweifelt daran, dass es den Teufel gibt oder nicht.
Das ist wie beim schwanger sein. Entweder die Frau ist schwanger oder nicht. Ein bisschen schwanger geht nicht.
Zweifel an sich ist was Gutes. Man kann dadurch Umstände überprüfen ob sie richtig sind oder auch nicht. Nur gibt es viele Aspekte die man weder beweisen noch widerlegen kann, wie Gott z. B. Daher muss der rationale Mensch, wenn er rational handelt, sich bei vielen Dingen entscheiden ob er es glaubt oder nicht.
Oder nimm politische Skandale. Oftmals muss man sich entscheiden was man glaubt weil man eine Entscheidung gar nicht anders herleiten könnte. Wobei übrigens die Entscheidung sich nicht zu entscheiden ebenfalls eine Entscheidung darstellt.
Meine Meinung ist, dass heutzutage viel zu viel gezweifelt wird. Deshalb trauen sich die Menschen keine Entscheidungen zu treffen. Man könnte sich ja irren.
Doch dann lebt man sein ganzes Leben in Ungewissheit. Dann lieber sich aufrichtig irren und dafür gerade stehen als sein ganzes Leben lang sich von Fragen die Seele zernagen lassen.
Was doch viele der derzeitigen Umstände erklären kann wie ich finde.
So steht die Sache meiner Meinung nach auf dem Kopf.
Stattdessen müssten die Sätze vom Glauben handeln, nicht vom Zweifeln:
Entweder man glaubt, dass Gott ist - oder nicht.
Entweder man glaubt, dass die Bibel Recht hat - oder nicht.
Entweder man glaubt daran, dass es den Teufel gibt - oder nicht.
Dass es den Teufel gibt, glaube ich nicht, und ich habe auch keinen Zweifel an diesem meinem Nicht-Glauben.
Dass die Bibel "Recht hat", ist viel zu vage formuliert. Womit könnte sie "Recht haben"?
Die sogenannte Existenz Gottes ist ein Trugbild. Hier werden hoch abstrakte Begriffe - Existieren, Sein, Gott - ineinander gemengt und damit unbrauchbar.
https://pastorenstueckchen.de/2010/10/einen-gott-den-es-gibt-gibt-es-nicht-d-bonhoeffer/
Mit allem!
Was Bonhoeffer wohl meint ist, dass es Gott nicht im Sinn einer Person wie du und ich gibt.
Anders kann ich mir den Sinn dieses Zitates nicht erklären. Denn Gott selbst offenbart ja seinen Namen als der der ist.
Was auch das scheinbare Trugbild auflöst. Gott ist alles, er ist der Grund des Seins und seine höchste "Ausformung".
Das soll wohl die Antwort sein auf meine Frage: "Womit könnte sie [die Bibel] "Recht haben"?"
Sehr witzig.
Du bräuchtest nur dem Link zu folgen, um ein bisschen tiefer zu checken, "was Bonhoeffer wohl meint".
Ich glaube das nicht. Sondern: es wird viel zu wenig gezweifelt und viel zu viel unbesehen übernommen (nicht einmal 'geglaubt', nur übernommen).
Entscheidungen brauchen dann gar nicht getroffen zu werden, denn die Grund-Entscheidung, gedankenlos anderen zu folgen, ist gefallen.
Mit Zweifel hat das nichts zu tun. Hier würde ich hingegen von Angst sprechen wollen. Und von Bequemlichkeit.
Damit habe ich auch die Welt des Glaubens gemeint. In diesem Bereich wird zu viel gezweifelt und zu wenig geglaubt.
Was du anführst wäre der Bereich der Politik. Ja da bin ich bei dir, Angst und Bequemlichkeit.
Das halte ich nicht für beschränkt auf Politik / Politisches. "Sapere aude" ist nicht auf Themenbereiche begrenzt, und die Angst oder Bequemlichkeit davor auch nicht: Weltbilder und Menschenbilder werden übernommen, Dogmen nicht hinterfragt, sondern wie Wissen behandelt.
https://www.katholisch.de/artikel/25884-dogmatikerin-hoffmann-glaube-und-zweifel-sind-nicht-nur-gegensaetze
Ich sag ja auch nicht Zweifel wäre schlecht. Natürlich ist er auch etwas gutes. Nur Zweifel alleine reicht eben nicht aus.
Um zweifelsfrei etwas als sicher zu wissen müsste man alles wissen, was nicht geht. Daher bleibt bei den wichtigen Fragen im Leben immer der Glaube übrig.
Nun kann man sich entscheiden nicht an Gott zu glauben, was ja jedem frei steht. Nur, hat man sich einmal entschieden so sollte man auch seinen Glauben dann auch konsequent durchziehen. Was an dieser Stelle den Zweifel ausschließt.
Deshalb ist der Zweifel der größte Feind des Glaubens. Man kann sich leicht im Zweifel verlieren da man nach einer Gewissheit sucht die man dort nicht findet. Und auch per Definition nicht finden kann, da man ja beständig zweifelt.
Tut mir leid, deiner Argumentation vermag ich nicht zu folgen.
Einen Satz - der leider nicht belegbar sein dürfte - finde ich heraus ragend, weil er sehr interessant klingt:
Das klingt so, als sei das Wissen ein großes Ganzes, das nur ganz oder gar nicht gewusst werden könnte.
Wie gesagt, interessanter Gedanke, aber ich denke, durch nichts zu belegen.
Natürlich hängt beim Wissen und bei den Bedingungen der Möglichkeit von Wissen vieles miteinander zusammen, aber insgesamt ist hier kein Ganzes anzutreffen, denn die Welt selbst ist 'kontingent', also von Brüchen durchzogen, auch wenn das Wort "Welt" eine Art Ganzes anzudeuten scheint.
Du preist gerne deine These weiter an, der Zweifel sei der größte Feind des Glaubens, und ich kaufe sie trotzdem nicht. Meiner Ansicht nach ist das nur ein unverbindlicher Spruch, keine inhaltlich gefüllte Meinung, keine weise Einsicht und schon gar keine feste Tatsache.
Es gibt einige wenige Katholen, vor denen ich großen "philosophischen" Respekt habe, einer davon heißt Nicolaus Cusanus. Vielleicht solltest du den mal lesen - oder eine gut ausgewählte Lektüre über ihn und sein Werk. (Mein Latein reicht bei weitem nicht aus, Cusanus im Original zu lesen.)
"coincidentia oppositorum" ist das Schlüsselwort: der Zusammenfall / das Zusammentreffen des Gegensätzlichen / der Gegensätze
Was hältst du von der folgenden Behauptung oder These oder Einsicht:
(ist nicht von mir)
Dank an @JochenPaul für die Anregung.
;-)