Identity politics – politisch korrekter Hass
Der Artikel erschien im original auf meinen Blog sniemeyer.de unter identity politics - politisch korrekter hass
Viel Spaß beim Lesen, es ist etwas länger, aber das Thema doch wichtig.
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‹Ich bin der Faschismus›. Nein, er wird sagen: ‹Ich bin der Antifaschismus›.
– Ignazio Silone
Das Auftreten der Antifa und der zunehmende Durchmarsch des Gedankenguts der identity politics, nähren den Verdacht, dass Ignazios Satz prophetisch war. Was Identitätspolitik konkret ist, ist schwer in einem Satz zu sagen. Eigentlich ist es auch schwer, es in mehreren Sätzen zu sagen. Die prägnanteste Kurzdefinition liefert die Wikipedia.
Um die Mitglieder einer solchen Gruppe zu identifizieren, werden kulturelle, ethnische, soziale oder sexuelle Merkmale verwendet. Menschen, die diese Eigenschaften haben, werden zu der Gruppe gezählt und häufig als homogen betrachtet. Menschen, denen diese Eigenschaften fehlen, werden ausgeschlossen.
Wikipedia
Identitätspolitik ist nach dieser Definition im Grunde genommen nichts weiter, als der Versuch Rassismus und Sexismus zu erweitern und zu begründen. Stark vereinfacht lässt sich die Identitätspolitik als eine Ausdehnung der Gender-Ideologie begreifen. Ausgeweitet auf theoretisch unbegrenzt viele Einzelgruppen der Gesellschaft. Außer weiße Männer, die sind der Feind. Eine Denkweise, die in den USA bereits weit verbreitet ist. Examplarisch sei hier Patricia Clarkson, eine US-amerikanische Schauspielerin, zitiert.
White Male Actors Should “Shut Up and Sit in the Corner”
– Patricia Clarkson, US-amerikanische Schauspielerin
Die zur Rechtfertigung dieser Haltung angeführten Begründungen sind zumeist entweder diffus oder banal. Es ist beispielsweise keine neue Erkenntnis, dass es in menschlichen Gesellschaften keinen absoluten Standpunkt gibt. Es existieren nur Einzelperspektiven auf das Ganze. Eine Begründung, warum daraus folgen soll, dass die Politik den Anspruch aufgeben soll, die Gesellschaft als Ganzes zu betrachten, liefert dieser Allgemeinplatz nicht. Auch nicht, warum die Politik ihre Handlungen nach den Bedürfnissen von Einzelgruppen ausrichten sollte.
Der nächste häufig angeführte Punkt ist, dass die Gleichstellung jeder Gruppe erstrebenswert ist, also Gleichstellungspolitik auf immer kleinere Gruppen ausgedehnt werden soll. Nicht nur Frauen, wie in der Vergangenheit, sondern auch schwarze oder transsexuelle oder was es noch so gibt oder in Zukunft gefunden wird. Um jede Gruppe muss sich die Politik separat kümmern und eingreifen, wenn jemand der Meinung ist, eine Diskriminierung entdeckt zu haben. Übersehen wird hier gerne, dass Gleichberechtigung zwar notwendig und aus den Menschenrechten herleitbar ist, eine Gleichstellung per staatlichen Eingriff jedoch keinesfalls. Ein Staat, der durch massive Eingriffe in die Gesellschaft Gleichstellung herstellen möchte, muss die Freiheit in letzter Konsequenz der Gleichheit unterordnen. Dazu später mehr.
Wichtig ist noch zu wissen, dass nach Lesart der identity politics herrschende Gruppen keiner Diskriminierung ausgesetzt sein können. Sollte z.B. vonseiten des Staates dennoch eine eindeutige Diskriminierung vorliegen, dann ist dies eine positive Diskriminierung. Positiv ist eine Diskriminierung dann, wenn es sich um die Korrektur einer strukturellen gesellschaftlichen Diskriminierung handelt. Nicht diskriminiert werden können weiße und insbesondere weiße Männer. Diese wurden als herrschend identifiziert. Im Einklang mit den Theorien der identity politics sind diese Gruppen also auszuschließen. Das heißt, ihrer Privilegien zu berauben. Im Klartext, vor dem Gesetz schlechter zu stellen.
Um den Ausländern Chancengleichheit zu verschaffen, muss jedoch für wenigstens zwei Generationen mehr für Ausländer getan werden als für Deutsche.
– Peter Menke-Glückert 1981 in einer Schrift für die Gesellschaft für Zukunftsfragen
Für Deutschland ist der „wissenschaftlich“ korrekte Begriff für Menschen, die keinen Rassismus ausgesetzt werden können, mehrheitsdeutch. Trägt eine weiße Frau Dreadlocks, dann ist das nach identity politics Lesart Rassismus. Es handelt sich dann um einen Fall von kultureller Aneignung. Ebenfalls eine Form des Rassismus, nach neuer Definition, ist die diskursive Aneignung. Die Theorie dahinter ist, dass Diskurse niemals in einem herrschaftsfreien Raum stattfinden, sondern durch Herrschaftsmuster dominiert werden. Die Frage, ob eine weiße Frau Dreadlocks tragen darf oder nicht, darf also von keinen weißen diskutiert werden. Das wäre eine Aneignung des Diskurses durch eine Person herrschender Klasse. Rassismus muss also nicht bewusst geschehen. Ein Kind, das ein Indianer Kostüm trägt, handelt rassistisch, weil es sich eine fremde Kultur in kolonialer Manier aneignet. Margarete Stokowski, deren Stern zu steigen begann als differenzieren und abwägen in den Medien nicht mehr erwünscht war, bringt es ungewollt platt auf dem Punkt.
Klar werden auch Männer gemobbt, brutal geschlagen und unfair behandelt – diskriminiert aber werden sie nicht. Dafür fehlen in dieser Welt noch immer die entsprechenden Machtstrukturen.
Margarete Stokowski, SPIEGEL ONLINE – Weiße und Männer können alles haben, aber das nicht
So ist Rassismus zu einem Begriff geworden, der seinen Boden verloren hat. Er ist nach Situation beliebig anpassbar. In diesem Verständnis dient der Begriff nur noch der Erlangung einer Diskurshoheit. Erreicht wird dies durch Delegitimierung anderer Meinungen. Vorzugsweise indem diese von vorneherein aus der Diskussion ausgeschlossen werden.
Warum die identity politics gefährlich sind
There’s nothing like white trash in the white house
– Dolly Parton, US-amerikanische Sängerin
Eine übertriebene Betonung von Gleichheit gegenüber Freiheit, Verengung der Sicht auf die Gesellschaft oder überhandnehmende politische Korrektheit wären allerdings kein Grund, dies hier zu schreiben. Das eigentliche Problem der Identitätspolitik ist, die aus ihr sprechende maximale Emotionalisierung. Gefühle zählen mehr als Fakten, es gibt keinen Boden der Wahrheit mehr. Diese zur Tugend erhobene Subjektivität, gepaart mit der von Anfang an angelegten Fixierung auf oberflächliche Erkennungsmerkmale liefert den Nährboden für Hass, Hetze und einen Rassismus sowie Sexismus neuer Art.
Dieser Hass, gepaart mit dem Gefühl auf der richtigen Seite zu stehen ist billig zu haben. Es bedarf keiner Zustimmung zu einem komplexen Programm. Keine genaue Kenntnis der Theorie, es reicht aus, zu wissen, wo man steht und wo der Feind steht. Es bedarf, nur des menschlichen Instinkts, dass eigene gegen das Andere zu betonen und zu überhöhen.
Dieses kleine Video von einer Versammlung der SPD-Jugendorganisation JuSos verdeutlicht das sehr schön. Natürlich muss nicht jede Äußerung einer politischen Jugendorganisation ernst genommen werden. Der Jubel für die letzte Rednerin fügt sich nahtlos in einen alles in allem unschönen Gesamteindruck ein.
Die Dame am Ende sagt den Satz, „Die Grundrechte, das Menschenrecht, gilt zuerst einmal für die Frau und dann für alles andere“, das ist der Sound eines unrecht-Staates, der Klang des Menschenhasses. Die unveräußerlichen Grundrechte wurden für alle Menschen, ohne jedwede Unterscheidung oder Abstufung, geschaffen. Sie gelten absolut, nicht relativ.
Die Rassenlehre, welche für den Wert des Menschen säuberlich abgestufte Wertigkeiten vorsah, belegt eindrucksvoll, warum dieser Absolutheitsanspruch der Menschenrechte nicht verhandelbar ist. Gerade für die SPD, eine linke Partei, auf deutschen Boden, muss angesichts unserer Geschichte klar sein, warum das so ist. Eine SPD-Nachwuchsorganisation, die zu solchen Sätzen begeistert jubelt, ist geradezu gespenstisch. Hier spricht ein Dogmatismus, der zwischen dem Recht des einen und des anderen nicht mehr länger abwägt. Die junge Dame hat übrigens offensichtlich zu viel Valerie Solanas gelesen.
Wie die Menschen ein vorrangiges Lebensrecht gegenüber den Hunden haben, so haben die Frauen ein größeres Lebensrecht als die Männer. Die Vernichtung sämtlicher Männer ist daher eine gute und rechtliche Tat; eine Tat, die sich zum Wohl der Frauen und Segen aller auswirken würde.
– Valerie Solanas im „SCUM-Manifest“
Praktisch können wir dieses Denken besonders häufig bei linken Gruppierungen wie den Grünen vorfinden. Bezeichnend für identitätspolitisches Denken ist zum Beispiel das Reden von alten Weißen Männern. Beeindruckend entlarvend ist hierzu ein Video von Katharina Schulze Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag.
Hierbei handelt es genaugenommen um eine 3 Fach Diskriminierung nach Alter, Geschlecht und Hautfarbe. Man beachte hierzu den letzten Satz des obigen Wikipedia Zitats. Bei einer solchen Aufzählung darf die Linkspartei natürlich nicht fehlen.
We love Volkstod
– Die Partei Die Linke 2015
Neben der Emotionalisierung ist keine konsequente Linie zu erkennen. Erkennbar ist eine massive Delegitimierung der Anderen. Die Anderen sind die gemeinhin als Feinde ausgemachten Gruppen, deutsche, Männer, weiße, Juden (Israel), Nazis, Rechte und natürlich Konservative. Inhalt und Grund sind egal.
Natürlich kommt dieses Denken immer mit dem Verweis auf das vermeintlich Gute einher. Wer würde nicht die Entmachtung der „weißen Männer“ wollen, wenn doch so klar ist, dass die weißen Männer für all unsere Krisen verantwortlich sind. Von den Vertretern der Identitätspolitik wird hierbei völlig die Nähe zum Nazi Satz: „Die Juden sind unser Unglück“ übersehen.
Die neue Religion heiligt jedes Mittel, das dazu dient, sich der alten zu entledigen.
– Esther Vilar, argentinisch-deutsche Schriftstellerin.
Die alten weißen Männer sind unser Unglück
Die Identitätspolitik mit ihren fein austarierten System von böse und noch böser ist nichts anderes als eine Rassenlehre unter verkehrten Vorzeichen. Die Argumentation, dass Diskriminierung immer nur von einer Position der Macht ausgehen kann, ist schlicht die akademische Variante von „Rassismus gegen Weiße ist begründbar“. Die Theorien, die der Identitätspolitik zugrunde liegen, liefern eine Rechtfertigung für die eigenen Ressentiments und geben gelebten Hass ein humanes Gesicht.
Der Anteil der Männer muß auf ungefähr 10% der Menschheit reduziert und stabilisiert werden.
– Sally Miller Gearhart, US-Amerikanische Professorin
Es ist ein Funken Wahrheit daran, dass Diskriminierung aus einer Position der Macht heraus gefährlicher ist, als der Hass eines ohnmächtigen Bürgers am unteren Ende der Gesellschaft. Das weiße Männer Unrecht taten, ist unbestritten. Diese Tatsachen rechtfertigen exakt gar nichts. 90% der weißen Männer besitzen keinerlei Macht. Genauso wenig wie deutsche, weiße Frauen und jede andere von den identity politics herabgewürdigte Gruppe. Die Behauptung, die Taten einiger weniger, würden die Diskriminierung und Herabwürdigung einer ganzen Gruppe rechtfertigen, ist eine irrsinnige Chimäre. Sie dient allein dazu, sich selbst vom Rassismus und Sexismus freizusprechen.
Wie viele verhinderte Hitlers gibt es, die einfach nie die Möglichkeit oder den Mut hatten böse zu sein? Wie viele Menschen haben täglich Vernichtungsfantasien, die sie aus Mangel an Macht nicht ausleben können. Nicht Rassen, Klassen und Geschlechter begehen böse Taten. Menschen agieren als Verbrecher. Die Argumentation der identity politics Vertreter folgt dem gleichen Muster wie die rechter Hetzer. Einzelne Schandtaten, die von einem Individuum einer Gruppe begonnen wurden, werden zur Rechtfertigung des Hasses verwendet. Dieses Zurechtbiegen der Wahrheit zugunsten der eigenen Ideologie beschrieb Hannah Arendt folgendermaßen:
Man kann sagen, dass der Faschismus der alten Kunst zu lügen gewissermaßen eine neue Variante hinzugefügt hat – die teuflischste Variante, die man sich denken kann – nämlich: das Wahrlügen.
– Hannah Arendt
Zu Hannah Arendts Zeit gab es noch keine identity politics, in ihrer heutigen Form. Es gab nur den einfachen Faschismus. Der Kern des Zitats ist wohl, dass in der Politik eine Wahrlüge die gefährlichste und wirksamste Form der Lüge ist. Der Moderne als Anti-Rassist verbrämte Identitätspolitiker geht noch einen Schritt weiter als die Nazis. Die Nazis waren so ehrlich ihren Hass als solchen zu benennen. Im modernen Anti-Rassismus wird, wie bereits gesagt, bei Diskriminierung zwischen positiver und negativer unterschieden. Positiv ist Diskriminierung von Männern, denn Männer haben ja die Macht. Das sage mal jemand einem Baggerfahrer, den gerade der Lohn gekürzt wurde. Zitate von Politikern Linker Parteien sind immer gut, um das Anti-Rasstische Verständnis moderner Parteien zu verdeutlichen.
Es war schon kalt in Stalingrad für Opa und sein‘ Kamerad, dafür wurd’s in Dresden warm, als der Bomber Harris kam!
– Sarah Rambatz (DIE LINKE), Politikerin – Der Der Tweet vom 10.05.2018 um 09:23 ist inzwischen gelöscht
Beim Anti-Rassismus heißt es, dass Rassendiskriminierung nur von mächtigen wie weißen Männern ausgehen kann. Gleiches Argument, weiße Männer haben die Macht. Gewisse Gruppen können also nicht diskriminiert werden. Vielleicht kommt Folgendes Twitter Zitat daher von einer Anti-Rassistischen Feministin:
Deutschenhass ist eine Erfindung von Kartoffeln, die an Deutschland glauben.
– Julia Schramm (DIE LINKE), Beauftragte gegen Hatespeech der Amadeu-Antonio-Stiftung
Wie sich die identity politics in der Praxis auswirken
Die Mentalität moderner Massen vor ihrer Erfassung in totalitären Organisationen ist nur zu verstehen, wenn man die Durchschlagskraft dieser Art Propaganda voll in Rechnung stellt. Sie beruht darauf, daß Massen an die Realität der sichtbaren Welt nicht glauben, sich auf eigene, kontrollierbare Erfahrung nie verlassen, ihren fünf Sinnen misstrauen und darum eine Einbildungskraft entwickeln, die durch jegliches in Bewegung gesetzt werden kann, was scheinbar universelle Bedeutung hat und in sich konsequent ist. Massen werden so wenig durch Tatsachen überzeugt, daß selbst erlogene Tatsachen keinen Eindruck auf sie machen.
– Hannah Arendt
Zunächst eines vorweg, in Teilen üben Vertreter der Identitätspolitik durch die Gender-Ideologie und über die Hintertür diverser Lobby Organisationen bereits erheblichen Einfluss aus.
Sie konnten bisher aber kaum durchregieren. Dafür ist der Widerstand der liberalen Demokratie einfach zu stark gewesen. Das Folgende bezieht sich darauf, was passieren wird, wenn dieser Schutzwall wegbricht. Das Szenario ist nicht undenkbar, denn der Nachwuchs in den Parteien und Medien steht dem Gedankengut der identity politics durchaus offen gegenüber. Kritik an diesen Ideen gilt als verdächtig und wird erbittert als neo-liberal, gleichheitsfeindlich oder fortschrittsfeindlich bekämpft.
Die politischen Ränder wurden in den USA durch die Wahl Donald Trumps und in Europa durch die Fridays for Future Bewegung sowie die Flüchtlingskrise gestärkt. Dadurch ist es zwischen den politischen Lagern zu einer Verhärtung gekommen, die die Ränder stärkt. Genauso wie es innerhalb des rechten Lagers, hier der AFD, zu einer Radikalisierung kam. Erschreckend ist, dass die Linken nicht mehr weiter egalitäre Ansichten, was Rasse und Geschlecht angeht, vertreten. Im Gegenteil, diese Kategorien haben durch oben erläuterte Fixierung auf Gruppenidentität massiv an Bedeutung gewonnen.
Die identity politics, sollten sie nicht gestoppt werden, werden den Staat weiter mit Identitätsdenken durchsetzen. Ein solcher Staat wird in letzter Konsequenz ein autoritärer Staat sein. Herkunft (Rassenzugehörigkeit) und Geschlecht werden am Ende mehr zählen als Qualifikation. Es wäre die Abkehr vom liberalen westlichen Modell, denn zur Durchsetzung bedarf es eines etatistischen Staates. Es wäre ebenfalls die Abkehr vom freiheitlichen Staat, denn um das neue Denken durchzusetzen, darf das Private nicht mehr länger unpolitisch sein. Die freie Rede wäre nur noch im Rahmen des politisch korrekten, das heißt erwünschten, möglich. Das bedeutet, ein Staat, der per Gesetz eingreift, wo immer er kann.
Es bedarf immer neuer Gesetze, um das Gleichgewicht zwischen den Gruppen zu wahren. Daher muss die Regierung auf die Einhaltung der Quoten und Sprachregelungen achten, was in der Praxis die Aufgabe des freiheitlichen Staatswesens bedingt. Die dringende Gefahr hierbei ist, dass der Staat auch die Feindbilder mit übernimmt. Versuche Gesellschaften umzuerziehen sind in der Geschichte stets fehlgeschlagen. Eine Gesellschaft aufzubauen gelingt nicht durch Kommandogewalt. Die Natur des Menschen ändert sich nicht. Die Gesellschaft verzerrt sich lediglich. Eine Regierung, die sich totale Gleichheit auf die Fahnen schreibt, bezieht ihre Legitimation aus dem erreichen des Ziels. Dieses prognostizierte Ziel, der völligen Gleichheit aller Menschen, kann aufgrund der menschlichen Natur aber nicht erreicht werden. Der Staat wird seine Legitimierung nur durch massive Propaganda und Gesetzesverschärfungen aufrecht erhalten. Bisher war es z.B. so, dass der Feminismus, wann immer eine Prognose nicht eintraf, das Feindbild Mann weiter aufgebaut hat. Hierzu noch einmal stellvertretend Alice Schwarzer.
Unser Feind ist meist nicht, wie im großen Krieg, der klar bestimmbare Fremde, sondern häufiger der eigene Mann: der Vater, Bruder, Geliebte, Sohn
– Alice Schwarzer – Journalistin, 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet
In den USA z.B. sind die Asiaten die erfolgreichste Personengruppe. Das liegt an dem hohen Stellenwert, den in dieser Kultur, Bildung beigemessen wird. Dieses Ungleichgewicht war für die Harvard-Universität inakzeptabel, daher werden Asiaten beim Aufnahmeverfahren nun systematisch schlechtergestellt. In Deutschland wird seit einiger Zeit Propaganda für ein feministisches Wahlrecht betrieben. Teilweise ist es bereits in Kraft, die Begründung ist, die vorigen Maßnahmen, z.B. Quoten, waren nicht so erfolgreich wie erhofft. Die Prognose trat also nicht ein. Ironischerweise wurde das feministische, nicht mehr so freie, Wahlrecht in Brandenburg an dem Tag beschlossen, an dem vor 100 Jahren das freie Wahlrecht für alle in Kraft trat.
Totalität
The ideal subject of totalitarian rule is not the convinced Nazi or the dedicated cummunist, but people for whom the distinction between fact and fiction, true and false, no longer exists.
Das ideale Subjekt totalitärer Herrschaft ist nicht der überzeugte Nazi oder der engagierte Kummunist, sondern Menschen, für die die Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion, Wahr und Falsch, nicht mehr existiert.
– Hannah Arendt
Wie jedes in sich geschlossene ideologische Gedankengebäude benötigt auch diese Ideologie eine Abschottung von der realen Welt. Nicht eingetroffene Prognosen können und dürfen nicht am Fehler der herrschenden Ideologie liegen. Ist eine der gerade unterstützten und als gut erkannten Gruppen trotz staatlicher Hilfe nicht erfolgreich, dann ist ein sinistrer Feind am Werk. Seien es Rechtspopulisten, die Hass schüren (natürlich meistens Männer) oder die Wirtschaft, die einfach nicht einsehen will, dass Gruppe X eine Bereicherung für die Betriebe ist. Vielleicht auch eine angeblich verfeindete Gruppe. Vermutlich wurde das Volk einfach noch nicht genug zur Demokratie erzogen, da muss also nachgeholfen werden.
Soll jede Minderheit, ungeachtet der real erbrachten Leistung einen gleichen Anteil am Staat haben, dann muss die Leistung des einzelnen ignoriert werden. Für die einen ein Glück, ist es des anderen Pech. Wollen wir einzelne Gruppen für die Vergangenheit bestrafen und andere als Ausgleich für vergangenes Leid besserstellen (Hallo Erbsünde), dann müssen konkrete Posten und Privilegien nur noch nach Herkunft vergeben werden.
Die Identitätspolitik macht keinen Hehl daraus, dass Menschen nach Rasse geteilt und über Gruppenzugehörigkeit wahrgenommen werden. Das bedeutet, dass wir über jeden Menschen ab dem Zeitpunkt der Geburt eine Annahme treffen. Der kleine weiße Junge wird irgendwann ein alter weißer Mann, egal was der Mensch nun tut, er bleibt, was er ist. Damit ist dieser Junge aus Sicht von überzeugten Vertretern der identity politics von Geburt an ein schlechter Mensch. Als solcher muss der Junge daher schlechtergestellt werden, als die dunkelhäutige lesbische Frau.
Was aber nun, wenn der weiße Junge einen guten Charakter hat und die Schwarze Frau zu einer Mörderin wird? Diesen Fall kann und darf es in der Welt der Identitätspolitik nicht geben. Eine Presse, die darauf hinweist und Missstände in dieser Richtung anprangert, wäre staatsgefährdend. Schon in den kommunistischen Diktaturen mit ihren unzähligen Millionen Toten wusste man:
Die Wirklichkeit ist tendenziell immer parteifeindlich.
Die Wirklichkeit hat also zu schweigen und die Meinung im öffentlichen Raum sich im Sinne der Staatsdoktrin einer gelebten „Toleranz“ anzupassen. Die Idee der Toleranz hat hiermit einen Lauf genommen, wie ihn Max Weber einmal postuliert hat.
Die Idee wirkt bei ihrem Erdenlauf schließlich immer und überall ihrem urspünglichen Sinn entgegengesetzt und vernichtet sich dadurch.
– Max Weber
Relativismus
Der auf vollkommene Gleichstellung bedachte Staat ist auch der vollkommen kulturrelativistische Staat. Als solcher werden alle Werte, bis auf die Relativität aller Werte, negiert. Dieser Staat hat schließlich keinen tieferen Sinn mehr, keine seine Bürger verbindende Wertegrundlage. Keine Identität. Der Bürger ist nur noch Mensch. Der Relativismus ist wie ein Virus, beginnt der Gedanke der vollkommenen Relativität aller Werte einmal zu wirken, wird er schnell zur Wertlosigkeit. Am Ende des Weges verliert der Mensch die Einbettung in einen größeren Daseinszweck. Jordan B. Peterson schreibt hierzu Folgendes.
„Der Verlust eines gruppenbezogenen Glaubenssystem macht aus unserem Leben ein deprimierendes Chaos, das Vorhandensein eines Glaubenssystems führt unweigerlich zu Streit mit anderen Gruppen. Um Streit zu vermeiden, haben wir im Westen nahezu alle Zugehörigkeiten gekündigt, sei es Tradition, Religion oder gar Nation, aber wir bezahlen dies mit schwindender Sinnhaftigkeit, und das ist alles andere als eine Verbesserung.
Jordan B. Peterson
Warum die Identitätspolitik scheitern wird
Der Versuch, den Himmel auf Erden zu verwirklichen, produzierte stets die Hölle.
– Karl Popper
Anders als eine liberale Weltanschauung, die jeden Menschen ungeachtet seiner Herkunft, Geschlecht und Hautfarbe als ganzes einzigartiges Individuum wahrnimmt, kann eine kollektivistische Weltanschauung den Menschen nicht ohne seine Gruppe denken. Bildlich gesprochen, ein Rassist sieht zuerst den Schwarzen und schreibt diesen nun Eigenschaften zu, die seinen Vorurteilen entsprechen. Ein von den Ideen der identity politics erfasster Mensch handelt ähnlich, sein Weltbild ist kollektivistisch, die Gruppenzuschreibung hat einen höheren Wert als die Individualität des Menschen. Dies ist der fundamentalste Aspekt, weshalb Identitätspolitik nichts weiter ist, als ein neuer Rassismus unter umgekehrten Vorzeichen. Schon früh hätte das erkannt werden können, doch das Verlangen nach Vorurteilen und Abgrenzung scheint im Menschen so tief verankert zu sein, dass wir das offensichtliche nicht sehen wollten und wollen, solange wir uns nur auf der Richtigen wähnen können.
Vielleicht sollten die Frauen den Männern die Eier abschneiden, damit auf der Erde wieder ein Paradies entstehen kann. Die Männer würden ruhiger werden und sensibler mit ihrer Umwelt umgehen. Ohne diesen ständigen Ausstoß von Testosteron gäbe es keinen Krieg, kein Töten, kein Rauben, keine Vergewaltigungen.
– Waris Dirie, Autorin
Der Bezug zum Testosteron, wie im obigen Zitat, ist häufig zu vernehmen. Es handelt sich um einen ganz klar sexistischen Biologismus so, wie er früher in rassistischen stereotypen Widerhall fand. Inzwischen ist das soweit akzeptiert, das sogar Spitzenpolitiker in Fernsehdiskussionen diesen Biologismus, wie selbstverständlich verwenden.
Warum werden die identity politics nun scheitern? Diese neue Spaltung vollzieht sich nicht, wie in der Vergangenheit, im Rahmen klarer Grenzen. Da ist kein technisch überlegenes Volk, dass gegen ein anderes kämpft und es schließlich unterwirft und versklavt. Keine konsistente Ideologie, die auf Jahrhunderte der kulturellen Verfestigung zurückgreifen könnte. Diese Spaltung vollzieht sich in kleinen atomaren Gruppen, innerhalb von Staaten und sogar zwischen den Geschlechtsgrenzen. Es ist nur noch ein Echo, eine Reaktion auf den alten Rassismus oder früherer Diskriminierung. Der Versuch, durch eine massive Gegenreaktion, eine bessere Welt zu erschaffen.
Von allen politischen Idealen ist der Wunsch, die Menschen glücklich zu machen, vielleicht das gefährlichste.
– Karl Popper
Widerspruch
Wie jede ideologische Weltanschauung kann nun auch diese scheinbar der Toleranz und Offenheit verpflichtete Ideologie die Wirklichkeit nicht ertragen. Da, wie bereits gesagt, von Geburt an eine Annahme getroffen wird, ist jede Abweichung eine Zumutung.
Nein, wir wollen den Frauen gerade nicht die Wahl lassen zwischen Berufstätigkeit und Mutterdasein und zwar aus dem einfachen Grunde, weil zu viele Frauen sich für die Mutterschaft entscheiden würden.
– Simone de Beauvoir in „Krieg der Geschlechter“
Diese Diskrepanz, diese im wahrsten Sinne mehrfachen Inneren-Widersprüche werden das Ende dieser Ideologie einleiten. Weniger der Hass oder die Hetze. Das Ausspielen mehrerer Gruppen innerhalb von Staatsgrenzen wird das Ende sein. Krisenfest sind nur Staaten, die eine Gesellschaft bilden können, die einigermaßen Homogen ist. Das heißt, eine kollektive Identität formen können. Ein Wir-Gefühl. Wann immer die Gesellschaft anfängt, in einzelne Gruppen zu zerfallen, ist es der Anfang vom Ende. Eine Ideologie, die Atomarisierung forciert, ist aktive Zersetzung.
Deutsche Helden müsste die Welt, tollwütigen Hunden gleich, einfach totschlagen.
– Joschka Fischer (Bündnis90/Die Grünen), späterer deutscher Außenminister – Pflasterstrand 1982
Politische Korrektheit
Durch die politische Korrektheit ist es vielfach unmöglich geworden, Missstände frei zu diskutieren. Es ist zwar richtig, dass die politische Korrektheit eine Notwendigkeit ist, um überhaupt einen zivilisierten Diskussionsrahmen zu schaffen. Vielfach ist dieses Instrument jedoch zu einer Waffe verkommen. Es ist allzu leicht geworden Personen ,die wichtige Themen ansprechen, allein aufgrund falscher Wortwahl vom Diskurs auszuschließen.
Diese A-Priori-Ausgrenzung betrifft häufig gerade Personen, die sich im Minenfeld des politischen Diskurses nicht auskennen. So riegelt sich eine kleine Clique eingeweihter ab, während sich unerfahrene stimmen schnell durch ihre Sprache kenntlich machen. Sobald offenbar wird, dass die Person einen falschen Begriff verwendet hat, ist eine weitere Auseinandersetzung nicht mehr länger nötig. Das Phänomen erinnert an die Hofsprache vergangener Zeiten. Menschen aus einem bäuerlichen Umfeld entlarvten sich schnell.
Dies durchtrennt eine Lebensader der westlichen Demokratie, da Argumente häufig weniger zählen, als die zum Ausdruck gebrachte richtige Gesinnung. Somit reiht sich, obwohl die Grundidee korrekt ist, die politische Korrektheit in die Reihe der Sargnägel der identity politics ein.
Im Kielwasser von politischer Korrektheit und Kulturrelativismus schwimmt ein weiteres Phänomen. Die regressive left, hinter dem Anglizismus verbirgt sich die widersprüchliche Eigenschaft moderner Toleranz, intolerante Ideen zu akzeptieren, solange sie nur aus einem fremden Kulturkreis stammen. So sind die Antennen für rechtsnationales freiheitsfeindliches Gedankengut in der Bundesrepublik gut ausgebildet. Gleichzeitig werden Organisationen wie die Ditib lange unterschätzt, bis es zu spät ist. Gleiches trifft die SPD, welche ein ernsthaftes Problem mit der Nähe zu konservativ islamistischen Personen hat. Gleichzeitig im Selbstverständnis eine feministische Partei ist.
Es besteht die Gefahr, dass diese mangelnde Aufmerksamkeit letzten Endes unsere Demokratie von innen heraus schwächt. Ein Seiteneffekt ist, der Islam wird ganz sicher keine LGBT-Interessen schützen. Das Problem ist eigentlich eine Frage für liberale, die Liberalität kann sich nur durch das Argument verteidigen. Es ist die einzige Weltanschauung, die ihren Feinden Tür und Tor öffnet. Liberale Systeme sind die Einzigen, die sich selbst zur Disposition stellen, bzw. das erlauben. Eine Ironie, dass dieses Schicksal einer totalitären politischen Richtung wie der identity politics drohen könnte. Eine Ideologie, die ihren Freunden die Ketten anlegt, aber den aggressivsten Feind mit offenen Armen empfängt.
Überlast
Das Scheitern der identity politics als Ganzes, ist keine Frage des ob. Es ist eine Frage des wann. Wird diese Ideologie sich selbst kannibalisieren, bevor sie es geschafft hat an die zentralen Schaltstellen des Staates zu kommen oder danach?
Beruhigend ist, dass sie, selbst wenn sie den Staat übernimmt, vermutlich nicht lange bestimmend bleiben wird. Sie wird, wie gesagt, nicht krisenfest sein. Dieses Konstrukt lebt von einem Staat, der stark genug ist sich um jedes Detail zu kümmern. Das heißt nicht, dass ein übermächtiger totalitärer Staat nicht lange funktionieren kann. Normalerweise beschränken sich solche Staaten darauf, die herrschende Partei im Sattel zu halten.
Jedes Grüppchen im Volke auszutarieren ist nicht der Job. Sobald es zu einer größeren Krise kommt, wird diese Ideologie zusammenbrechen. Ein Konstrukt, das nur durch Staatseingriffe am Leben bleibt, kann sich nicht dauerhaft selbst tragen.
Der Staat übernimmt sich langfristig und zerbricht an den aus den Eingriffen folgenden wirtschaftlichen Problemen. Ob ein solcher später Untergang schnell und schmerzlos sein wird, ist eine andere Frage. Was danach kommt natürlich auch.
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