Auf in den Ruin! - Wie man Taxiunternehmer wird

in #deutsch6 years ago

Als erstes sollte ich erwähnen, bitte nicht nachmachen! Ein Bericht aus meiner Vergangenheit vom Werdegang zum Taxi Einzelunternehmer. Was braucht man dafür, wie läuft das ab und lohnt sich das? 

Ich war in Hamburg als Unternehmer tätig. Dazu sollte man zuerst mal wissen, inwiefern sich Hamburg vom Rest der Republik unterscheidet. Hier gibt es nämlich eine Sonderregelung zur Anzahl zugelassener Taxen. Jedes auf der Straße befindliche Taxi besitzt eine Konzession. Diese Konzessionen sind in der Regel von der Stadt oder der Gemeinde auf eine bestimmte Anzahl begrenzt. Sind also erstmal alle Konzessionen vergeben, ist die einzig verbleibende Chance auf ein eigenes Taxi der Erwerb einer Konzession eines bereits bestehenden Taxis. Der übliche Preis dafür kann bis zu 100.000 € betragen, je nach Standort. Ebenso darf eine Konzession ausschließlich in der ausgestellten Stadt oder Gemeinde genutzt werden. In Hamburg und Berlin gibt es keine begrenzte Anzahl. Man hofft auf die Selbstregelung des Marktes und es gibt einen Mindestumsatz, der eingefahren werden muss, um eine Verlängerung dieser Konzession zu erhalten. Zu meiner Zeit war diese jedoch sehr schwammig formuliert.

Im Taxengewerbe gibt es zwei unterschiedliche Scheine, die man durch jeweilige Prüfungen erlangen kann. Auf der einen Seite gibt es den Personenbeförderungsschein für Fahrer, den man durch eine Ortskundeprüfung und  eine medizinische Untersuchung erlangt. Daneben gibt es noch den Unternehmerschein, den man durch eine Prüfung bei der Handelskammer erlangt und der einem erlaubt, eine Konzession zu beantragen. 

Eine medizinische Untersuchung kostet rund 150 € und beinhaltet einen ausgiebigen Sehtest und einen allgemeinen Check. Bezahlt werden muss aus eigener Tasche. Die Ortskundeprüfung in Hamburg ist nicht unbedingt leicht. Sicherlich mögen das manche nicht glauben, da sie wahrscheinlich katastrophale Erfahrungen mit Fahrern gemacht haben. Ich habe leider keine Ahnung, wie manch einer das geschafft hat...
Man kann sich auf die Ortskundeprüfung auf zwei verschiedene Arten vorbereiten. Es gibt ein privates Angebot an Kursen oder man besorgt sich die notwendigen Unterlagen und lernt selbst für sich Zuhause. Der Kurs kostet mehrere hundert Euro, die Unterlagen liegen im mittleren zweistelligen Bereich.

Diese Unterlagen enthalten um die 50 fest definierte Touren und beschreiben jede Straße, die man auf dieser Tour durchfährt sowie die einzelnen Stadtteile. Hier ist einfaches Auswendiglernen angesagt, da diese Touren auch exakt so im schriftlichen Teil der Ortskundeprüfung abgefragt werden. 

Zusätzlich gibt es noch hunderte Orte, die man innerhalb Hamburgs kennen sollte. Darunter beispielsweise Sehenswürdigkeiten, Hotels, Theater, Konzerthallen, Bahnhöfe und bekannte Restaurants. Hier muss man die jeweilige Straße und den Stadtteil wissen.

Im mündlichen Teil, der meist mit mehreren gleichzeitig durchgeführt wird, befindet sich eine unbeschriftete Karte der Stadt im Raum. Auf dieser werden einzelne Stadtteile und Autobahnen abgefragt. Zu den Autobahnen muss man alle Auf- und Ausfahrten kennen und beschreiben können, was für Orientierungspunkte es nach dem Abfahren einzelner Ausfahrten dort gibt.

Als nächstes fragt der Prüfer jeden einzelnen nach einer individuellen Fahrt quer durch die Stadt und man muss so detailliert wie nur möglich beschreiben, wie man nun wo lang fahren würde. Hierbei kann man Glück oder Pech haben. Zusätzlich wird noch ein bekannter Platz abgefragt und man muss nennen, welche Straßen dort abgehen und was sich dort befindet.

Zu guter Letzt kommt noch ein Test, der Muttersprachlern einfach vorkommt, ausländische Mitbürger jedoch in Panik versetzt, der Stadtplantest. Hier bekommt jeder einen Stadtplan und drei Straßen genannt. Man hat nun zehn Minuten Zeit, um rauszufinden von welcher bis welcher Straße die abgefragten Straßen verlaufen. Typischerweise werden hier Straßen wie der Veilchenweg oder der Tycho-Brahe-Weg genannt. 

Hat man die Prüfung und die medizinische Untersuchung bestanden, kann man endlich seinen Personenbeförderungsschein beantragen. Man darf nun offiziell als Knecht weit unter dem Mindestlohn sein Leben in einem Taxi verbringen. Wer davon noch nicht genug hat, wird weitermachen und will sein Leben lieber im eigenen Taxi verbringen. Dafür braucht man nun also den Unternehmerschein. Hier hat man wieder die Möglichkeit einen Kurs zu machen oder nur mit Unterlagen selbst zu lernen. 

Hierbei geht es eher um kaufmännisches Können. Es wird geprüft ob man in der Lage ist, sich selbst auszurechnen, ob man damit Geld verdienen kann. Eigentlich ein blanker Hohn, denn würde einem das korrekt beigebracht werden, würde man das sofort sein lassen. Aber das will man zu dem Zeitpunkt nicht wahrhaben. Man meldet sich also für 70 Euro bei der Handelskammer zur Prüfung an und springt in das Vergnügen. Die Durchfallrate bei der Prüfung ist immens hoch, man kann aber immer wieder hin. Bei mir hatten von 12 Teilnehmern drei bestanden, mich eingeschlossen. Hier verläuft es genauso wie bei der anderen Prüfung, erst ein schriftlicher Teil, dieser wird ausgewertet und die ersten acht Leute konnten direkt nach Hause. Vier gingen dann in die mündliche Prüfung. Hier werden der Reihe nach Fragen gestellt. Unter Anderem soll man beschreiben, was unter dem Begriff "Abschreibung" zu verstehen ist. 

Ist auch diese Hürde genommen, kann man sich endlich finanziell richtig übernehmen. Auf zum Amt und eine Konzession beantragen. Kostet natürlich wieder mal mehrere hundert Euro. Man muss übrigens nachweisen, dass man mit seinem Vermögen mindestens 2.250 € im Plus ist. Also quasi einmal die Hosen runterlassen bitte. Warum? Weil sie es können? Keine Ahnung...

Mit der Konzession geht man nun los, um sich ein Auto zu kaufen. VW und Mercedes bieten hier attraktive Rabatte auf Taximodelle. Bei Mercedes gibt es die E-Klasse als Taxi mit allem, was man braucht in schickem Hellelfenbein bereits ab 28.500 € netto, ein VW Touran geht bei um 17.000 € los. Um die Finanzierung muss man sich keine Sorgen machen, lächelnd sagte mir der Verkäufer, er würde auch die Ärmsten zur Finanzierung durchboxen. Hauptsache man fährt mit der Kiste vom Hof und der Verkäufer hat seine Provision. Bezahlt man nicht, ist das nicht mehr sein Problem, sondern das der Hauseigenen Bank.

Da ein Auto nun bestellt ist, braucht man noch eine Versicherung und eine Funkzentrale. Der Spaß ist also noch nicht vorbei und Geld wird noch keines verdient. Da es nur zwei Versicherungen gibt, die Taxen versichern, ist die Auswahl nicht besonders groß. Großzügig wird einem angeboten, man würde einen, nett wie man ist, direkt bei 80% einstufen. Dass 80% um die 330 € im Monat bedeuten verschweigt man lieber solange wie möglich. Da man keine Wahl hat, macht man das. Private Prozente lassen sich da auch nicht übertragen. Wichtig zu wissen, da diese Prozente sich später auch nicht ins Private übertragen lassen.

In Hamburg gibt es mehrere Taxenzentralen, was jedoch nur für den Fahrgast gilt. Als neuer Unternehmer wird die Auswahl schnell kleiner. Die erfolgreichen Zentralen nehmen nur begrenzt Fahrzeuge auf und da die Plätze alle belegt sind, kommt man da nicht rein. Das gleiche Spiel, welches mit den Konzessionen in anderen Städten stattfindet, spielt sich auch mit den Zentralen ab. Für einen Platz in einer Zentrale mit begrenzten Plätzen werden schnell 50.000 € und mehr fällig. Also verbleiben nur zwei Zentralen, die eigentlich eine sind, die keine Begrenzung haben. Diese beiden Zentralen befinden sich im gleichen Zimmer mit zwei Schreibtischen gegenüber. Da es nur diese eine gibt, kann man sich vorstellen, wie König man als Kunde hier ist...

Es gibt natürlich eine Aufnahmegebühr und man muss ein 100 € Smartphone von denen für 500 € kaufen, da man ja die Software braucht, an die man anders nicht kommt. Ein tolles Leuchtschild muss abgekauft werden, welches die Zentrale für 70 € verkauft und beim Verlassen der Zentrale dieses für 30 € wieder ankauft. Der Spaß der Vermittlung für jämmerlich wenige Touren in dieser Zentrale kostet übrigens rund 250 € im Monat. Will man die hässlichen Aufkleber nicht auf seinem Auto haben, sind 50 € Aufpreis fällig.

Nicht vergessen sollte man die Anmeldung bei der Handelskammer, die wollen natürlich auch an der Arbeit verdienen und die tolle Unfallversicherung, die einem immer hilfsbereit zur Seite steht, will auch ein ordentliches Stück vom Kuchen.

Nun kommt tatsächlich der Tag, das Auto kann abgeholt werden. Neufahrzeug, Abzahlrate 550 € im Monat, frischer TÜV und los geht's. Aber arbeiten ist nicht. Damit man auch den Funk nutzen kann, bedarf es eines Funkgerätes inklusive Einbau. Ein weiteres Mal gehen 1.000 € aus der Tasche. Ein Taxameter ist zwar schon drin, geeicht ist dieses aber noch nicht. Also ab zum Eichamt, nochmal rund 50 € und man hat es geschafft.

Sicherlich seid ihr neugierig, was man denn nun damit verdient. Ja, das war ich auch. Mir wäre im Nachhinein lieber, ich hätte davon nur wie ihr gelesen, ohne selbst betroffen zu sein. Es ist lange her, daher kann ich nicht alles perfekt im Detail wiedergeben, aber die Zahlen sind definitiv nicht aus der Luft gegriffen.

Ein toller Vorteil am Job ist die absolut frei einteilbare Arbeitszeit. Damit haben wir die Vorteile auch mal kurz alle aufgezählt. Ich habe mir die Zeiten gesucht, die meiner Meinung nach die ertragreichsten sind. 18.00 - 06.00 inklusive Freitag und Sonnabend. Für diese Schicht gilt ein Durchschnittsumsatz von 150 € für einen Wochentag und 300 € pro Tag am Wochenende. Die 300 € erreicht man aber nur mit Vollgas. Wer nachts 60 km/h fährt, hat schon verloren. 

Dadurch erreicht man einen Schnitt von 4.200 € Umsatz im Monat inklusive 7% MwSt, also 3.900 € Nettoumsatz. Kosten mal so grob gerechnet:

  • Abzahlung Auto: 550 €
  • KFZ Versicherung : 330 €
  • Funkzentrale: 250 €
  • Handelskammer : 100 €
  • Unfallversicherung: 100 €
  • Tanken: 300 €
  • Inspektion und Wartung: 200 €
  • Steuerberater: 100 €
  • Sonstiges: 100 €

Verbleiben noch 1.900 €. Davon gehen nun ca. 400 € Krankenversicherung und Einkommenssteuer ab. In die Rente muss auch noch ein Tröpfchen und man sieht, wohin die Reise geht. Die Rechnung ist übrigens mit einer 60 Stunden Woche erstellt. Natürlich kann man bis zu 500 € Trinkgeld machen im Monat. Als Unternehmer muss man diese aber übrigens auch versteuern. Wirklich retten kann einen das Trinkgeld also auch nicht. Also verbleibt nur die Möglichkeit, noch mehr Arbeitszeit aufzuwenden.

Ich hoffe mit meinem Beitrag ein wenig für Aufklärung gesorgt zu haben. Mir ist von etlichen Fahrgästen bewusst, dass Kunden den Preis für die Nutzung für zu teuer erachten und das ist verständlich. Man sieht jedoch, dass das nicht unbedingt an der Bereicherung des Fahrers oder des Unternehmens liegt...


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Ist MyTaxi kein Thema gewesen?

Wenn ich mal in HH bin, hab' ich den Eindruck, daß jeder Wagen bei denen unter Vertrag steht.

MyTaxi kam zum Ende meiner Karriere erst auf den Markt. Mittlerweile ist das wirklich weit verbreitet in Hamburg. Vielleicht schreibe ich nochmal einen Beitrag, wo ich näher auf die Funkzentralen und auch myTaxi eingehe.

Schöne Schilderung der Realität. Übrigens auf allen Ebenen, nicht nur im Taxi-Gewerbe. Willkommen im Club der Deppen!
Wer sich heute in diesem Staat als Einzelunternehmer noch selbständig macht, ist entweder irre oder todesmutig.
Im übrigen darf ich darauf verweisen, dass von freien Marktkräften bei der Vergabe und dem Handel mit staatlichen Konzessionen keine Rede sein kann. Das Gegenteil ist der Fall. Würde man der Sache freien Lauf lassen, hätte sich das schon bereinigt.
Trotzdem alles Gute, Mann. Du bist der richtige Mann und schaffst das!

Als Unternehmer hat man eigentlich nur zwei Möglichkeiten, um erfolgreich zu sein:

  1. Du kannst irgendwas anbieten, was sonst keiner hat/kann.
  2. Du kannst einen massiven Kredithebel nutzen.

Beides fällt halt beim Taxifahren weg. Taxifahren kann im Prinzip jeder lernen und man kann auch nur ein Taxi gleichzeitig fahren.
Deshalb sind ja viele Taxifahrer so scharf darauf, dass ihnen der Staat durch Konzessionen und Gesetze die Konkurrenz wie z.B. Uber vom Leib hält.
Trotzdem meinen Respekt, dass Du es versucht hast.

So leicht wollen wir es den mitunter mitlesenden Freiheitsfeinden, die du immer so nett grüßt, dann doch nicht machen ;)

Guten Tag,

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Gruß

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Klasse Bericht ! Erst mal ein dickes UP! 👍

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es in Zukunft noch „schwerer“ wird für die Taxi 🚕 Unternehmer. Wir waren vor ein paar Monaten in Prag. Dort haben wir festgestellt, dass ein Teil der Personenbeförderung in fester Hand von Uber ist.

Hat natürlich alles seine Vor- und Nachteile, aber preislich kann da kein Taxi Unternehmer gegen angehen. Teilweise haben die Taxi Fahrer bis zu 30€ für eine Fahrt gewollt, wir sind dann mitm Uber für die selbe Strecke für kanpp 7€ gefahren...

In dem Sinne ✌️

Danke für dein Beitrag

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