Politik 117 - Bildung und politisch-etatistische Dialektik 2/2

in #deutsch5 years ago

16. Januar 2019

Um sich in der Realität und den herrschenden Gegebenheiten bestmöglich zurechtzufinden, ist es wichtig, über Informationen zu verfügen, die nicht einseitig manipuliert oder geschönt wurden und einen möglicherweise auf fragwürdige (Irr-)Wege führen sollen. Ob die Irreführung bewusst geschieht oder nicht, ist erst in zweiter Linie wichtig. In erster Linie ist wichtig zu wissen und zu verstehen, dass es dazu kommt und wo man dafür am empfindlichsten ist. Danach erst kommt man dazu, sich Fragen über die bestehenden Interessenslagen zu stellen, die bewusste Manipulationen und Irreführungen nahelegen. Unbewusste Irreführungen kommen vor allem aufgrund von Wissensmangel zustande. Entweder wurde der Sachverhalt noch nie untersucht oder der Urheber der Irreführung hat sich mit dem Thema nicht ausreichend befasst.

Wenn man einem Bereich Forschung betreibt, geht man in der Regel dialektisch vor [1]. Man versucht mit einer sinnvollen Anordnung gegenteiliger Hypothesen, der These und Antithese, den Bereich so abzudecken, dass man daraus eine ebenso sinnvolle Schlussfolgerung, auch Synthese genannt, generieren kann.

Die Politik in Mitteleuropa ist ein Bereich, in dem mir die aktuell stattfindenden Diskussionen in verschiedenen Aspekten zu begrenzt erscheinen. Die meisten Konzepte schlagen eng begrenzte individuelle Gestaltungsfreiheiten vor, im Namen sozialer Gerechtigkeit werden der Anteil der Eigenverantwortung des Einzelnen abgesenkt und die Umverteilungsmechanismen ausgeweitet. Es entstehen Produktivitäts-Verpflichtungen für alle produktiv tätigen Menschen über Jahrzehnte, obwohl überhaupt nicht klar ist, ob diese in Zukunft zahlreich genug vorhanden und noch dazu in der Lage sein werden, diese Leistungen vollständig zu bezahlen.

Von dem Recht, Risiken einzugehen und damit möglicherweise zu scheitern wird selten gesprochen, warum eigentlich? Der natürliche Vorgang, der zu Innovation und Fortschritt führt, ist Versuch und Irrtum, solange bis sich Erfolg einstellt. Es ist schön, wenn man die Sicherheit schaffen kann, dass ein Irrtum nicht automatisch zu bitterster Armut oder gar dem Tod führt. Aber es ist ganz wichtig, dass die Verlockung des möglichen Erfolgs so interessant ist, dass sich Versuch und Irrtum zu betreiben unbedingt lohnt. Das Leiden nach einem Irrtum ganz wegzunehmen ist allerdings auch keine gute Idee, denn das würde die Ernsthaftigkeit, mit der die Versuche betrieben werden, abschwächen.

Ein Sozialstaat eine ziemlich neue Erfindung ohne echte Referenz aus der Vergangenheit, die besagt, dass ein solches System über lange Zeit erfolgreich betrieben werden kann. Dies im Gegensatz zu Familien, die eng zusammenhalten, über mehrere Generationen im selben Berufsbereich und möglicherweise unternehmerisch tätig sind, sich in ihren Spezialgebieten grosse Kompetenzen erarbeiten und diese immer weiter verfeinern. Letztere Institution ist ein echter, bestätigter Wert, den ein Staat auf keinen Fall angreifen sollte, es sei denn, es gibt extreme Vorfälle wie den sexuellen Missbrauch von Kindern oder Gewaltexzesse untereinander, was durchaus zahlreich vorkommt, aber nicht omnipräsent ist.

Anhand des von mir generierten Nolan/Kiyosaki-Diagramms, welches ich bereits im ersten Teil erwähnt habe, möchte ich die aktuelle Begrenztheit des politischen Diskurses anschaulich, aber sicherlich zu kurz greifend darlegen. Zunächst die allgemeine Ausgangslage, dann bearbeitet.


Eine von dem Autor angepasste Darstellung des Nolan-Chart der politischen Positionierung und Robert Kiyosakis dreipoliger politischer Einteilung [7]. Man kann es Nolan/Kiyosaki-Diagramm nennen. Das Diagramm nach Nolan [5] wurde von dem Libertären David Nolan (1943-2010) [8] entwickelt, Robert Kiyosaki ist ein bekannter Unternehmer aus den USA und Autor von wirtschaftlichen Selbsthilfebüchern.

Nach dem allgemeinen Diagramm folgt mein Eindruck des gegenwärtigen Spektrums, welches oft auf eine eindimensionale Strecke reduziert wird, die von rechts nach links führt. In der Graphik ist das Spektrum pink markiert und wohlwollend gross gehalten. Wesentliches Merkmal ist, dass es sich in einem ziemlich wenig freiheitlichen Bereich befindet.

2019-01 - Nolan Chart Collectivism.png
Pink markiertes Spektrum im Nolan/Kiyosaki-Diagramm, welches den aktuellen politischen Diskursbereich darlegen soll. Je nach Wahrnehmung wird man die markierte Fläche für zu klein oder zu gross gehalten sehen.

Die im Titel erwähnte Dialektik, die gegenwärtig gepflegt wird, wage ich in einem Versuch wie folgt zu skizzieren. Ich behaupte, dass gegenwärtig viel Propaganda für sozialistische Ideen betrieben wird und für eine angeblich vorhandene Ordnungskraft des Staates, die ebenso angeblich die ordnenden Möglichkeiten der Marktwirtschaft um Welten übertreffen soll. Eine totale Dominanz der Politik über das wirtschaftliche Treiben in einem Land hat sich in der Geschichte nicht als gutes Konzept erwiesen. Denn die Politiker haben sich eiligst auf Irrwege begeben und sich einbildet, sie könnten auch die grundsätzlichsten wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten missachten und ihre ganz eigenen Systeme schaffen. Die Spannweite eigener Systeme reicht von Vorstellungen einer militärisch geprägten Kommandowirtschaft von Konzernen über ausgeweitete staatliche Beteiligungen an der Wirtschaft via Umverteilung bis hin zu Ideen, man könne auch gleich einen neuen Menschen schaffen.

Die politischen Vorstellungen wieder auf das Nolan-Diagramm heruntergebrochen, erhält man beispielsweise einen
linken und einen rechten Pol. Für beide Herangehensweisen habe ich den Versuch der Aufstellung von These und Antithese unternommen und je eine Synthese verfasst, These/Antithese lassen sich leicht vertauschen. Dass es zwischen den beiden Polen links und rechts durchaus eine Mitte gibt, wird vernachlässigt. Ich vernachlässige das deswegen, weil ich darstellen möchte, dass eine begrenzte Dialektik kaum zu einem wirklich guten Resultat führen kann.

  • These: Links/Sozialismus ist menschenfreundlich, vertritt die Würde des Einzelnen weltweit, kämpft für die Rechte der Ärmsten. Diese waren früher die herzlos ausgebeuteten Industriearbeiter und die durch das Patriat unterdrückten Frauen. Heute sind es besonders Flüchtlinge aus allen denkbaren Ländern und grundsätzlich all jene, die sich als Opfer einer privatwirtschaftlichen Ausbeutung und des westlichen Imperialismus darstellen lassen. Kapitalismus ist grundsätzlich abzulehnen und muss scheitern, da er die Ungleichheit fördert, diskriminiert, ausbeutet und eine Diktatur des Geldes zementiert. Nationalismus ist grundsätzlich schädlich, da Grenzen ausschliesslich inhaltslose Verstandeskonstrukte sind und grundsätzlich diskriminierend, das hat in der sozialistischen Internationale keinen Platz. Den Dingen, die in unserer Vorstellung keinen Platz haben, muss mit revolutionären Aktivitäten begegnet werden.

  • Antithese: National(sozial)ismus/Faschismus oder national-soziale Politik fördert die Leistungsfähigkeit einer Volksgemeinschaft und verleiht allen ihren Angehörigen einen Stolz auf die Identität. Grundsätzlich erarbeitet die Volksgemeinschaft genügend Güter, um allen Bürgern zu einer gewissen Würde zu verhelfen. Die weltweite Ausbeutung durch den Kapitalismus ist schädlich, weswegen es nationaler Schutzmechanismen und Umverteilung bedarf, um die schwächsten Arbeiter in der Gesellschaft, aber auch die eigenen Unternehmungen schützen zu können, vor allem die grossen. Besonders die internationale Finanzwelt mit ihren rücksichtslosen Investitionsstrategien und multinationale Konzerne sind äusserst kritisch zu sehen. Ihr Machtmissbrauch ist zu einzudämmen. Familien, Dorf, Stadt und Region sind zu klein, ein Nationalstaat ist gross genug, um wehrhaft nach aussen auftreten zu können. Dieser muss zentral verwaltet werden und repressiv gegen seine Gegner auftreten, um einen genügend grossen gemeinsamen Nenner in der Volksgemeinschaft zu schaffen.

  • Synthese aus linker Sicht: Der Faschismus - bitte nicht Nationalsozialismus sagen, weil das Wort -sozialismus enthalten ist - ist wie der Nationalismus ein Grundübel. Die Nazidiktatur hat zu Tage gefördert, wie bösartig das ist, weswegen jeder Ansatz davon grundsätzlich bekämpft gehört. Globale Probleme müssen global verwaltet und gelöst werden, so entsteht auch weltweite Solidarität. Vor allem die Ausbeutung grassiert noch immer und muss weltweit bekämpft werden. Nationalismus bedeutet Alleingänge, die in Kriege und Imperialismus ausarten. Nahezu alles, was der Mensch braucht, ist auf der Erde bereits vorhanden, es braucht nur richtig verteilt werden, dazu Natur und Klima geschützt, um langfristige Nachhaltigkeit zu garantieren.

  • Synthese aus rechter Sicht: Der internationalistische Sozialismus ist gescheitert. Internationale Solidarität existiert nicht, dafür sind die Menschen zu verschieden. Die grösste kontrollierbar zu verwaltende Einheit, in der ein Sozialstaat funktionieren kann, ist die Gemeinschaft der eigenen Ethnie, die Nation. Internationaler Sozialismus ist deswegen zu bekämpfen, weil er solange subversiv auftritt, bis er seine Vision verwirklicht hat. Das ist grundsätzlich und mit repressiven Mitteln zu verhindern.

2019-01 - Nolan Chart Freedom.jpg
Nolan-Diagramm inklusive eines Pfeils, der von einer geschlossenen, autoritären Ordnung zu einer offeneren, freiheitlichen Ordnung zeigt.

Anhand der letzten Darstellung lässt sich erkennen, wie viel des tatsächlich verfügbaren politischen Raums über den gegenwärtig abgebildeten politischen Diskurs nicht abgedeckt ist und welche grundsätzlichen Positionen dazugehören.

Folgende Begriffe stehen sich grob gesagt von oben nach unten gegenüber:

autoritäre Ordnungfreiheitliche Ordnung
KollektivismusIndividualismus
"Gemeinwohl" / delegierte VerantwortungEigenverantwortung
Gemeineigentum / UmverteilungPrivateigentum

Die durchaus vorhandene Mitte tut gut daran, sich nicht zuletzt der Erhaltung der Bürgerrechte, Freiheit und Marktwirtschaft zu widmen. Dort kann sie Bereiche erschliessen und pflegen, die den Kollektivisten links und rechts und generell den autoritär denkenden Menschen sehr suspekt sind.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Dialektik
https://en.wikipedia.org/wiki/Dialectic
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Nolan-Diagramm
https://en.wikipedia.org/wiki/Nolan_Chart
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Kiyosaki
https://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Kiyosaki
[8] https://plus.google.com/106613867040667347381/posts/UenEF5Pymi7
https://plus.google.com/106613867040667347381/posts/bAgeht88x18
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/David_Nolan
https://en.wikipedia.org/wiki/David_Nolan


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