Deutsche Begriffe 006 - Von «Relotius» abgeleitete Substantive/Adjektive/Verben

in #deutsch5 years ago (edited)

21. Januar 2019

Es liegt mir zwar fern, sprachpolizeiliche Methoden zu unterstützen. Dennoch möchte ich sprachlich noch einmal auf die sogenannte Relotius-Krise der deutschen Medien zurückkommen. Es hat mich nämlich etwas gestört, dass allerhand Adjektive und Substantive von dem Namen des entlarvten deutschen Journalisten Claas Relotius abgeleitet wurden, aber kaum eine Systematik in der Begriffsfindung offenbar wurde. Es scheint damit zu tun zu haben, dass Kenntnisse in der lateinischen Sprache wohl eher nicht mehr besonders weit verbreitet sind.

2018-12 - Peymani Relotius Blase.jpg
Die Bildschirmaufnahme, die in meinem ersten Beitrag zum Thema Relotius erschien [1]. Mit dem Inhalt bin ich noch immer einverstanden. Der Sinn und Zweck der Existenz von Blasen ist deren Platzen.

Wenn man davon ausgeht, dass das Wort Relotius ein lateinisches ist, welches regulär in o-Deklination dekliniert wird und Reloti der Wortstamm ist, so kommt man beim zugehörigen Adjektiv auf

  • relotiös, lat. relotiosus oder relotiid, um ein i gekürzt auch relotid

Beim Substantiv, das einen Journalisten bezeichnet, welcher in der Art seiner Arbeit es so erscheinen lässt, als liesse sie sich von Claas Relotius inspirieren, auf

  • der Relotide oder die Relotidin, analog abgeleitet wie Hominid von Homo (Mensch), dessen Genitiv Homini lautet

Das zugehörige Verb lautet

  • relotiieren oder relotieren, wenn man wie zuvor um das i kürzt

Tönt es nicht elegant, wenn man die Schöpfer der Inhalte, die alle Klischees des in seiner grenzenlos naiven Art bahnbrechenden Gutmenschentums bauchpinseln, als Relotiden bezeichnen kann? Deren Art des Publizierens als relotiösen Journalismus und die zugehörige Aktivität als relotieren. Jedenfalls mir gefällt das besser, als täglich von Relotiussen oder relotiusösen Inhalten zu lesen oder von Journalisten, die beim relotiusieren erwischt werden.

Damit Wörter aus dem Relotius-Umfeld für den Titel des Unworts des Jahres 2018 in Frage zu kommen, flog die Affäre um Claas Relotius wohl zu spät auf. Dennoch gehe ich davon aus, dass relotide Begriffe ausserhalb der Blase der Intellektuellen und Journalisten sehr wahrscheinlich häufiger fielen als das gekürte Wort Anti-Abschiebe-Industrie [2, 3], welches vor seiner Kür bestenfalls ein Schattendasein fristete.


[1] Deutsche Begriffe 004 - Was ist ein "Relotius"? @saamychristen, 23. Dezember 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/deutsche-begriffe-004-was-ist-ein-relotius
[2] Jury-Entscheidung - „Anti-Abschiebe-Industrie“ ist Unwort des Jahres. Junge Freiheit, 15. Januar 2019, von (tb) https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/anti-abschiebe-industrie-ist-unwort-des-jahres/
[3] Kommentar - Ein abgekartetes Wortspiel: Deutsches Unwort des Jahres ist «Anti-Abschiebe-Industrie». NZZ, 15. Januar 2019, von Daniel Haas https://www.nzz.ch/feuilleton/anti-abschiebe-industrie-zum-unwort-des-jahres-gewaehlt-ld.1451492


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Relotide find ich gut. Es erinnert allerdings ein bisschen an Reptiloide.

Danke für den Kommentar!

Die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr und ist von meiner Seite nicht völlig unbeabsichtigt. In der lateinischen Sprache heisst Reptile Kriechtier, reptilis kriechend. Reptiloid heisst folglich kriechtierähnlich.

Fürwahr!
Da bestätigt sich wieder:
Nomen est Omen

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