Das Potenzial von Krebsimmuntherapien

in #health7 years ago (edited)

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Was mich dazu bewegt hat mich mit Immuntherapien auseinander zu setzen und darüber zu schreiben war der Umstand, dass es kürzlich in meinem näheren Umfeld zu einer Krebsdiagnose kam. Die moderne Krebsimmuntherapie bietet mittlerweile vielversprechende Ansätze zur Krebsbehandlung, die im Gegensatz zu der Chemotherapie und Strahlentherapie keine erheblichen zytotoxischen Nebenwirkungen hat und gezielt Krebszellen eliminieren soll. In den vergangenen Jahren gab es wesentliche Fortschritte in unserem Verständnis über das Immunsystem und somit auch in der Forschung von Krebsimmuntherapien.
Ich werde nur einen Ansatz der Immuntherapie (der aktiven Immunisierung), abdecken und mich hauptsächlich auf die wissenschaftlichen Arbeiten von US-Immunologe James P. Allison beziehen.

Entstehung und Vermehrung von Krebszellen



In unserem Organismus besteht ein Gleichgewicht zwischen der Vermehrung von Zellen und dem Zelltod. Die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichts (Homöostase) kann durch Mutationen im Erbgut gestört werden. Eine solche gestörte Zell-Homöostase führt zu verschiedenen Krankheiten: ein verhältnismäßig hoher Zelltod ist Auslöser von Erkrankungen wie AIDS oder Hepatitis B. Eine erhöhte unkontrollierte Zellvermehrung führt beispielsweise zu Autoimmunerkrankungen oder zu Krebs.

Bei einem Ungleichgewicht versucht das (intakte) Immunsystem, diese unkontrolliert wachsenden Zellen aufzuspüren und zu bekämpfen. Damit auch alle Krebszellen vernichtet werden, bevor sie sich vermehren können, muss das Immunsystem Krebszellen von normalen Zellen unterscheiden können - kann es aber meistens nicht, weil:

  1. Krebszellen tragen an ihrer Oberfläche ein Selbstantigen = ein Stoff (zB. ein Protein) welches dem Körper sagt, dass die Zelle zum Körper gehört und somit nicht pathogen ist.
  2. Viele Krebszellen tragen an ihrer Oberfläche keine tumorspezifischen Antigene = Stoffe (zB. Proteine), durch die andere Zellen erkennen, dass eine Zelle eine Krebszelle ist.

Es gibt aber Krebszellen die durchaus tumorspezifische Antigene präsentieren. Im Idealfall würde dieses Antigen benachbarte T-Zellen, welche für die Immunabwehr im Körper zuständig sind, signalisieren und die aktivierte T-Zelle würde sich an die Krebszelle binden und Zytotoxine zur Zerstörung der Zelle ausschütten.
Einigen Krebszellen gelingt es jedoch, sich dem Immunsystem zu entziehen (immune escape), indem sie diesen T-Zellen vortäuschen, dass sie normale Zellen sind.

Tarnung von Krebszellen durch körpereigene Proteine

Tumorzellen bedienen sich bei der Tarnung von sogenannten Immun-Checkpoints: Signalwege die die Stärke und Intensität einer Immunreaktion beeinflussen. Normalerweise dienen diese Signalwege zur Vermeidung von Immunreaktionen gegen körpereigene Substanzen (Autoimmunreaktionen), die Immun-Checkpoints sorgen jedoch auch dafür, dass Immunreaktionen gegen Tumorzellen gedämpft werden. Diese Checkpoints sind bestimmte Proteine, wie zum Beispiel das CTLA-4, das 1995 von James P. Allison entdeckt wurde:

CTLA-4: Funktion und Wirkungsweise

Das Protein CTLA-4 befindet sich auf der Zelloberfläche von T-Zellen. Im Normalfall sorgt das Protein dafür, dass das Immunsystem nicht zu stark aktiviert wird und so das gesunde Gewebe zerstört wird (-> 'immune-checkpoint').

T-Zellen setzen für eine Immunantwort zwei Aktivierungssignale voraus: Der T-Zell-Rezeptor (TCR) bindet einerseits an MHC Proteine, aber für die Aktivierung bindet er für gewöhnlich auch an sogenannten CD28 Molekülen. Gleichzeitig sorgt diese Aktivierung für eine gesteigerte CTLA-4 Produktion und das CTLA-4 hat eine stärkere Bindungsaffinität zum TCR als das CD28. CTLA-4 sendet wie bereits gesagt hemmende Signale zur Vermeidung von Immunreaktionen und so wird die Krebszelle nicht erkannt. [1][2][3][4]

Ein weiterer Immun-Checkpoint zur Immunevasion (immune escape) der Tumorzelle ist das Protein PD-1 und Proteine die an PD-1 binden (Liganden) :

PD-1: Wirkungsweise


Das PD-1 (programmed cell death-1) befindet sich auf der Oberfläche von aktivierten T-Zellen. Ähnlich wie bei der Signalhemmung durch CTLA-4 wird auch durch die Bindung von PD-1 mit einem anderen Protein (den Liganden PD-L1 oder PD-L2) eine Immunreaktion blockiert um die Wahrscheinlichkeit einer Autoimmunerkrankung zu reduzieren. Und somit auch die Erkennung von Krebszellen. [1][5]


Durch die Entdeckung dieser Proteine wurden im Laufe der letzten 20 Jahre neue Ansätze für die Bekämpfung von Tumoren entwickelt, die heute die moderne aktive Immuntherapie bilden:


Krebs mit eigenem Immunsystem bekämpfen


Das Ziel von Krebsimmuntherapien ist ganz allgemein, Komponenten des eigenen Immunsystems zu mobilisieren und bei der Zerstörung von entarteten Zellen zu stärken. Mit dem neu erlangten Wissen über die Immun-Checkpoints wurden Antikörper entwickelt, die diese Checkpoints bei der Blockierung der Immunreaktion stoppen sollen und somit die Krebszellen 'enttarnen'.
Diese Antikörper werden Immun-Checkpoint-Inhibitoren genannt und binden nach der Infusion an den Immun-Checkpoints. Die Krebszelle, deren Immun-Checkpoints den Antikörper binden, wird solange der Antikörper im Körper zirkuliert von Immunzellen angegriffen und durch Makrophagen (Fresszellen) entfernt. Dies verstärkt zudem die Immunantwort gegen die Krebszellen.

Ein Antikörper, also Immun-Checkpoint-Inhibitor, der bereits bei der Behandlung von Tumoren eingesetzt wird, ist bespielsweise der PD-1 Inhibitor Pembrolizumab. Nach der Infusion bindet Pembrolizumab an den PD-1 Rezeptor und verhindert somit die Interaktion zwischen PD-1 und seinen Liganden (zB. PD-L1). Somit werden keine hemmenden Signale gesendet, die T-Zelle kann aktiviert und die Krebszelle bekämpft werden.

Seit 2014 ist Pembrolizumab zur Behandlung von Melanomen (Hautkrebs) und Bronchialkarzinomen (Lungenkrebs) zugelassen und wird auch eingesetzt. Eine Studie (Phase-III-Studie „KEYNOTE-024“, 305 Teilnehmer mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen) hat ergeben, dass Pembrolizumab "der Standard-Therapie mit Chemotherapeutika in allen Wirksamkeitskriterien überlegen" ist.[6][7]

Diese Erkenntnis revolutionierte Immuntherapien, da Forscher nun die Entwicklung von Behandlungen anstreben, die mehr auf die Patienten zugeschnitten sind. Patienten sollen vor der Behandlung genetisch typisiert werden und die "Proteinexpression" der Tumore (welche Immun-Checkpoints für die Blockade zuständig ist, usw.) genauer untersucht.

Diese neuen Ansätze der Krebsimmuntherapie spielen vor allem bei der Behandlung von Lungenkrebs eine immer wichtigere Rolle, da herkömmliche Therapien schwieriger sind. Zur Bekämpfung von Lungenkarzinomen wird mittlerweile immer öfter neben der Chemotherapie zusätzlich auch die Immuntherapie eingesetzt. Forscher sind sich einig, dass die Immuntherapie nicht als eigenständige Behandlung, aber in Kombination mit anderen Therapien die Wahrscheinlichkeit für eine Heilung wesentlich erhöht. [8]
Die Ansätze der Immuntherapien haben das Potenzial die Krebsforschung in die richtige Richtung zu leiten und dem Krebs einiges von seinem Schrecken zu nehmen.




Links

Quellen:
[1] CTLA-4 and PD-1 Pathways
[2] CD28 and CTLA-4 have opposing effects on the response of T cells to stimulation.
[3] CTLA-4-mediated inhibition in regulation of T cell responses: mechanisms and manipulation in tumor immunotherapy.
[4] Enhancement of antitumor immunity by CTLA-4 blockade.
[5] Cancer immunotherapy and the PD-1/PD-L1 checkpoint pathway
[6] Pembrolizumab versus Chemotherapy for PD-L1–Positive Non–Small-Cell Lung Cancer
[7] Immuntherapie mit Pembrolizumab bei Lungenkrebs
[8] Clinical trials seek winning combination in chemotherapy and immunotherapy
Wikipedia!

Steemit Artikel zu Immuntherapien (nicht votebar):
Immunotherapy is the Future of Cancer Treatment
New Evidence on Macrophages in Cancer Immunotherapy - [Research Highlights]

Alle Grafiken wurden von mir erstellt.

TL;DR:
Einführung in die Krebsimmuntherapie

Sort:  

Zuerst dachte ich so was wie: Ok, Liana versucht mal Immunologie...spannend.
Und du hast es super gemacht, alles wissenswerte kompakt reingepackt. V.a. auch dass die Immuntherapie nicht als stand-alone gedacht ist, sondern [gemeinsam mit neuartigen, Anm.] Chemotherapeutika ein Pfeiler der individualisierten Chemo ist.

Nur eines: Antikörper i.v. verpasst zu bekommen hat durchaus auch Nebenwirkungen. Aber natürlich weniger als die Behandlung mit einem harten Zellgift wie z.B. Cisplatin.

Ok, Liana versucht mal Immunologie...spannend.

Das dachte ich mir auch! haha

Stimmt, die Antikörper die bei der Immuntherapie eingesetzt werden haben auch Nebenwirkungen aber verhältnismäßig zumindest keine beachtlichen; habe ich vergessen zu erwähnen. Danke Sco :)

Für diesen ausgezeichneten Fachartikel, den ich erst jetzt entdeckt habe, bekommst du noch einen zusätzlichen 100% Vote auf diesen Kommentar. Weiter so! Du bist eine Perle in der Steemit-Muschel.

Jetzt bin ich aber verlegen! Vielen Dank Freiheit, das schätze ich sehr!

Ich muss dazu sagen, dass die anderen de-stem Autoren tolle Vorbilder sind :)

Ja, es ist alles relativ.
"Keine beachtlichen" würd ich jetzt nicht sagen, die liste der möglichen NWs von Pembrolizumab liest sich nicht unspäktakulär. Halt deutlich weniger als Cisplatin, aber auch deutlich mehr als ein Aspirin ;-)

Bitte nicht Aspirin zu sehr verharmlosen - Gibt eh schon zu viele Leute die das wie Hustenzuckerl ohne Ende in sich reinwerfen ;)

*g*
Hat trotzdem weniger Nebenwirkungen als ein chemotherapeutischer MAB ;-)

Ich weiß zwar, dass du es weißt, aber kann es mir trotzdem nicht verkneifen: "Die Dosis macht das Gift" :P

Ja, Herr "Doktor". :P

Geht eben nichts über Ibuprofen und Laphroaig.

Schmerzmittel und Alkohol? My liver approves!

Ich bin tatsächlich überrascht, dass meine Leber überhaupt noch halbwegs funktioniert.

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