Im stillen Gedenken an die Opfer des Unterganges der Steuben am 10. Februar 1945

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Die Steuben war im Jahre 1925 noch als München unterwegs und wurde 1938 in Steuben umbenannt und gegen Ende des Krieges als Lazarett und Wohnschifft eingesetzt – Attribution: Bundesarchiv, N 1572 Bild-1925-109 / Fleischhut, Richard / CC-BY-SA 3.0

Nemmersdorf ist ein kleines ostpreusisches Dorf, das im heutigen Polen gelegen als Majakowskoje bekannt ist. Im Herbst 1944 erlangte es traurige Berühmtheit als die rote Armee, die nach Berlin vorrückte, es überrannte und blutige Rache für die Greueltaten der Nazis nahm. So wurden alle Frauen, egal wie alt sie waren, erst vergewaltigt und anschliessend an Scheunentoren und Haustüren gekreuzigt.

Die Männer und Kinder wurde dabei direkt erschlagen, erschossen oder von Panzern niedergewalzt. Bekannt wurden diese Kriegsverbrechen der roten Armee erst, als deutsche Einheiten das Dorf zurück erorberten und Reporter aus Schweden, der Schweiz und Spanien sich von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf Seiten der Stalinisten machen konnten. Das Kriegsverbrechen der Stalinisten sollte als Nemmersdorf Massaker in die Geschichte eingehen ist aber in den Köpfen der deutschen Bevölkerung faktisch kaum noch präsent.

Schnell verbreitete sich die Nachricht über die Greueltaten der roten Armee im ganzen Reich und viele Menschen fingen an vor den heranrückenden 200 Divisionen der Sowjetarmee in den Westen zu flüchten. Helene Sichelschmidt, gerade mal 19 Jahre alt und eine Kindergärtnerin aus Aweyden, dem heutigen Nawiady, erinnerte sich noch, wie Ende Januar 1945 deutsche Soldaten Verletzte in den Hof brachten und allen rieten vor den heranrückenden Russen wegzulaufen. Nur mit einem kleinen Koffer bestückt bricht sie sofort mit ihrer Freudin Marti Gleich auf und so schliessen die beiden jungen Frauen sich einem endlos langen Flüchtlingsstrom in den Westen an. Sie überleben dabei Angriffe von sowjetischen Tieffliegern, schlafen in verlassenen Häusern oder Autowracks und dies alles bei winterlichen Temperaturen weit unter Null Grad.

Nach zwei Wochen Flucht durch die winterlich verschneite Landschaft erreichen sie mit Hilfe eines Fischerbootes, welches deutsche Soldaten über das Frische Haff, dem heutigen Wislinkij Saliw, transportiert den kurz zuvor bomardierten Ostseehafen Pillau (heute: Baltijisk).

Der Hafen war übersät mit schwerst verwundeten Soldaten, Blut und Bandagen und um Hilfe rufenden Soldaten. Alle hatten nur noch ein Ziel – raus aus Ostpreußen und irgendwie in den Westen zu gelangen ehe die Rotarmisten sie abschlachten würden. Ihr Ziel – irgendwie auf das Schiff zu gelangen, dass sie im Rahmen der Operation Hannibal in den Westen nach Swinemünde bringen soll. Der Name des Schiffes:

STEUBEN


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Die General von Steuben auf einer Polarfahrt - Attribution: Bundesarchiv, N 1572 Bild-1925-079 / Fleischhut, Richard / CC-BY-SA 3.0

Das ehemalige Kreuzfahrtschiff des Norddeutschen Lloyds, das 1923 vom Stapel lief und zunächst als „München“ als luxuriöses Kreuzfahrtschiff mit maximal 486 Passagieren und 150 Mann Besatzung durch die Meere dieser Welt schipperte wurde 1929 in General von Steuben umbenannt um die deutsch amerikanische Freundschaft zu fördern. An jenem Wintertag als Helene Sichelschmidt mit ihrer Freundin Margit im zerbombten Hafen von Pillau jedoch die Steuben erreichte war von Glanz der alten Zeiten auf Seiten des Luxusliners nicht mehr viel übrig geblieben, auf wenn trotz allem überall der Duft von Luxus in der Luft hing, wie ein Überlebender zu berichten weiss.

Das Schiff war längst zu Kriegszwecken umgebaut und vor allem als Wohn- und Lazarettschiff im Einsatz. Der weiße Rumpf wurde dafür mit grauer Tarnfarbe überstrichen und die Sonnendecks mit Flakgeschützen seinerzeit bestückt.

Die Steuben war offiziell für ein Fassungsvermögen von 1100 Passagiere ausgelegt doch am 9. Februar 1945 war alles anders. Millionen Menschen waren auf der Flucht und jeder der konnte, versuchte eines der Schiffe zu erreichen, welches die Menschen vor den Schergen der roten Armee in Sicherheit brachte. Ein Ladungsoffizier der Steuben erzählte nach dem Krieg dass an jenem 9. Februar die am schwersten Verletzten Soldaten beim Boarding Vorrang hatten.

“Alle Kajüten, Säle und Gänge waren voll mit verletzten Soldaten“

Kapitän der Steuben war an jenen Februartagen Karl Homann, der sich den Befehlen Adolf Hitlers widersetzte und an jenem Tag weiter 1000 Flüchtlinge an Bord kommen liess und somit statt der 4200 Passagier schliesslich mit 5200 Seelen aus dem Ostseehafen auslief. Gerhard Döpke, der an der Ostfront „Hunger, Schlamm und Tod“ erlebt hatte und selber durch einen Granateinschlag an Kopf und Armen schwer verletzt wurde und dabei von 30 Granatsplittern durchsiebt wurde erinnerte sich, dass die Schwerverletzten alle auf den oberen Decks der Steuben lagen und er diesem Umstand am Ende sein Leben verdankte.

Helene Sichelschmit und ihre Freundin Margit befanden sich, als man den veletzten Piloten Gerhard Döpke auf einer Trage an Bord der Steuben brachte, noch nicht auf dem Schiff und hatten unter dem Wrack eines Lastwagens sich in Sicherheit gebracht. Erst später gelang es ihnen mit Hilfe eines Matrosen durch ein Bullauge des Schiffes an Bord des Ozeanriesen zu gelangen.


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1939 Balktendeutsche bei der Umsiedlung aus dem heutigen Estland - Attribution: Bundesarchiv, Bild 137-054452 / CC-BY-SA 3.0

Am Nachmittag des 9. Februar lief schliesslich das Lazarettschiff Steuben aus und nahm über die Ostsee begleitet von zwei schrottreifen Torpedobooten Kurs in Richtung Swinemünde. Zwei Tage sollte die Fahrt dauern ehe sie den Westen Deutschlands erreichen. Doch das Schicksal wollte es anders. War der Nachmittag noch mit Temperaturen um die Null Grad recht mild, so sanken nach Sonnenuntergang auch die Temperaturen, bei ruhiger See unter den Gefrierpunkt. In jener Nacht soll der Mond und ein Himmel voller Sterne über der Ostsee geprangt haben, während im provisorischen Operationssaal der Steuben sich die Ärzte um die Scherstverletzten kümmerten.

Alle an Bord glauben es geschafft zu haben – der roten Armee entkommen zu sein. Doch es sollte anders kommen.

Die Sorgen des Kapitäns der Steuben waren sowjetische U-Boote, die in der Ostsee erst zwei Wochen zuvor die Wilhelm Gustloff mit mehr als 9000 Menschen versenkt hatten. Eines dieser U-Boote war die S13 mit ihrem Kommandanten Alexaner Iwanowitsch Marinesko, der 1944 noch im finnischen Turku auf einem Flottenstützpunkt stationiert war.

Marinesko hatte bereits am 30. Januar 1945 die Wilhelm Gustloff versenkt. Das die russische Admiralität den Kommandaten des U-Bootes nicht zuvor in ein sibirisches Straflager geschickt hatte als er den Befehl eines Vorgesetzten beim Landgang ignorierte und stattdessen lieber eine Nacht durchzechte mag dem Umstand geschuldet sein, dass Leute wie Marinesko mit Kriegserfahrung auf U-Booten am Ende des zweiten Weltkrieges im Bereich der russischen Marine inzwischen Mangelware geworden waren.

In der Nacht vom 9. Februar sichtet Alexander Iwanowitsch Marinesko auf der S-13 schliesslich im Mondschein einer klaren Nacht die Steuben auf der Ostsee und musste zunächst abdrehen als eines der Geleitboote auf das sowjetisch U-Boot Kurs nimmt. Fast vier Stunden dauert die Unterwasserfahrt ehe Marinesko am 10. Februar 1945, nachdem er die Steuben wieder entdeckt hatte, um 2:50 Uhr sowjetischer Zeit den Befehl gibt zwei Torpedos aus den Achterrohren auf das deutsche Lazarettschiff abzufeuern, so dass anschliessend eine schnelle Flucht möglich ist.

Die Torpedos sollten im Bug des Schiffes einschlagen und den größten Teil der dort schlafenden Besatzung töten. Paul Niehaus ein Überlebender dieser Katastrophe, erinnert sich an den Moment des Torpedoeinschlages:

“Durch das gesamte Schiff ging ein Zittern, das mich aus dem Bett warf. Ich hatte bereits einen Schiffsuntergang erlebt, deshalb ahnte ich was los war.“

Gerhard Döpke, der schwerverletzte und von Granatsplittern durchsiebte Pilot der an Deck als Schwerverletzter sich befand und nur noch eine Hand bewegen konnnte, berichtet über seine Erlebnisse:

“Mit der Linken fing ich an, mich eine steile Stieg hochzuziehen, aber die Menge drängte mich zweimal zurück. Als ich die Schüsse der Selbstmörder hörte wusste ich: Es geht um Tod oder Leben. Mit letzter Kraft erreichte ich das Deck und kroch zur Reling. Das Schiff sank schon, als mich eine riesige Welle aufs Meer spülte. Ich griff nach einem Brett, das im Wasser trieb, aber es war zu klein und ich wäre fast untergegangen. Ich fing an zu beten. Ich weiß noch, dass ich sagte: «Lieber Gott, lass mich nicht wie eine Ratte ersaufen.» Und dann geschah ein Wunder. Ein leeres Rettungsfloß trieb gegen mich. Ich schnappte mit den Zähnen nach dem Tau und kletterte mit Hilfe meiner gesunden Hand hinein. Erschöpft blieb ich auf dem Bauch liegen. Kurz darauf kletterte jemand über mich, dann noch einer, und ich lag mit dem Gesicht direkt über der Wasserlinie. Mit letzter Kraft schrie ich: «Lasst keinen mehr rein, sonst ertrinke ich.» Dann wurde ich bewusstlos.“*

Helene, die Kindergärtnerin und ihre Freundin Margit hatten nicht soviel Glück. Von der Explosion geweckt versuchte man sie zu beruhigen und erzählte ihnen dass zwei Schiffe zusammen gestoßen seien. Hänchen haltend bahnten sich die beiden jungen Frauen durch die überfüllten Korridore einen Weg an Deck, als das Schiff plötzlich Schlagseite bekommt.

“Ich hielt mich an einer Art Leiter fest, als sich das Schiff plötzlich neigte. Ich baumelte mit den Beinen in der Luft. Ich wäre abgestürzt und hätte das Deck nie erreicht, wenn micht nirch ein Soldat hochgeschoben hätte. Marti griff nach meiner Hand. Niemand der hinter mir kam schaffte es nach draußen.“

An Deck angekommen merken die beiden Freundinnen, dass sie am Bug stehen und dass das Schiff sinkt. Sie zogen noch ihre Schuhe aus ehe sie untergehen und halten sich an den Händen als die Wassermassen sie erreichen. Von beiden Frauen sollte am Ende nur eine überleben...

“Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie ich untergegangen bin. Als ich an die Oberfläche kam, war Marti nicht mehr dar. Ich rief ihren Namen, aber ich bekam keine Antwort“

Helene, die Kindergärtnerin aus Ostpreussen schaffte es am Ende in ein Rettungsfloß überlebte. In nur 15 Minuten versank die Steuben in den Tiefen der Ostsee und riss mehr als 4000 Menschen in den Tod. Nur 660 Seelen sollten am Ende überleben....

Im stillen Gedenken an die Opfer des Krieges.

Peace & Love

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Du bist ein verläßlicher Chronist. Vielen Dank dafür.

Vielen Dank.

Ich denke es ist wichtig diese Ereignisse exemplarisch in Erinnerung zu halten, ehe sie in Vergessenheit geraten.

✨🦋🙏

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