Leben und Sterben: Hast du Angst vor dem Tod?

in #deutsch6 years ago (edited)


-- Für Stefan --

Letzte Woche hat mich ein alter Freund angerufen, um mir mitzuteilen, dass ein gemeinsamer Bekannter verstorben war. Er war ganz plötzlich von uns gegangen. Ich habe zwar keine Angst vor dem Tod, aber ich mag dieses Lebens sehr. Die Nachricht hat mich also darüber nachdenken lassen, wie unverhofft schnell diese menschliche Erfahrung auch vorüber sein kann und wie kostbar diese Zeit ist, die wir hier haben.

Es gibt keine Garantie, dass wir den morgigen Tag auch erleben werden. Die einzige Garantie, die wir haben ist, dass wir diesen Körper irgendwann wieder abstreifen werden. Klingt dramatisch, ist aber so. Wir verleugnen diese Tatsache oft und leben so, als wenn unser menschliches Dasein kein Ende hat. Wir planen unser Leben für eine Zukunft, von der wir nicht wissen, ob wir sie je erleben werden, schließen verschiedene Versicherungen ab und träumen von einem freieren Leben — nach der Berufstätigkeit.

Deine Morgenroutine: Tust du genau das, was du liebst?

Ich musste dann auch noch an eine Morgenroutine von Steve Jobs denken. Jeden Morgen hat er vor dem Spiegel gestanden und sich ehrlich gefragt: „Wenn das der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich das tun wollen, was ich im Begriff bin zu tun?“

Eine sehr berechtigte Frage.

Wie oft stellst du dir solch eine anspruchsvolle Frage morgens vor dem Spiegel? Übrigens, wenn die Antwort zu oft hintereinander „Nein“ lautete, dann wusste Jobs, dass er etwas verändern musste. Mut und Ehrlichkeit sind wichtige Eigenschaften für ein gutes und sinnvolles Leben.

Wenn wir alle den Mut hätten, uns die wirklich wichtigen Fragen zu stellen, sie ehrlich zu beantworten und — je nach Antwort — die Konsequenzen zu tragen, ich glaube, vielleicht wäre es dann gar nicht allzu tragisch, wenn wir von einem auf den anderen Tag nicht mehr hier sind. Denn dann hätten wir ja das gelebt, was wir lieben und leben wollten.

Der Tod und Sterben sind oft noch Tabuthemen

Als mein Vater vor über zehn Jahren verstorben ist, habe ich es am deutlichsten erlebt, wie der Tod immer noch etwas ist, womit wir große Berührungsängste haben. Wir haben insgesamt nicht gelernt, einen natürlichen und guten Umgang mit dem Thema zu pflegen. Ich denke, dass wir meist Angst vor dem Tod haben, wir aber vor dieser Angst oft weglaufen, sie ignorieren oder vermeiden, sie uns bewusst zu machen.

Wir setzen uns selten bewusst mit dem Sterben auseinander. Indirekt bestimmt diese Tatsache, dass unser Dasein endlich ist, unser Leben aber umso mehr. Ich plädiere deshalb dafür, dass wir uns viel bewusster und weniger unbewusst mit der Vergänglichkeit der menschlichen Existenz auseinandersetzen sollten. Vielleicht hätten wir dann auch keine so große Angst vor dem Sterben. Viel mehr noch: Unsere Entscheidungen würden anders ausfallen, unser Mut wäre stärker, die Ehrlichkeit lauter, unsere Furcht geringer und unser unbedingter Wille, ein sinnvolles Leben im Hier und Jetzt zu leben viel, viel vehementer.

Elisabeth Kübler-Ross: die moderne Sterbeforschung

Es gibt aber einige mutige Menschen, die sich bewusst und auch öffentlich mit dem Tod und auch mit Nahtoderfahrungen auseinandergesetzt haben. Als mein Vater verstarb, hat mir meine Schwester das Buch von Elisabeth Kübler-Ross „Über den Tod und das Leben danach“ gegeben, welches mich sehr tröstete. Kübler-Ross war Ärztin und Wissenschaftlerin in den USA und ihre Theorien über den Tod auch nicht immer ganz unumstritten. Unumstritten ist aber, dass sie den Tod mit ihrem Schaffen stärker in die Öffentlichkeit gerückt hat.

Sie hat viele Menschen beim Sterben begleitet, sie dabei interviewt und war dadurch der festen Überzeugung, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Der Tod war damit nicht das Ende des Lebens, sondern eine Art Übergang in ein anderes Bewusstsein. Auch Ein Kurs in Wundern sagt, dass die Geburt kein Anfang ist, sondern eine Fortsetzung und dass der Tod kein Ende ist, sondern auch lediglich eine Fortsetzung. Im Kurs wird unser Körper als unser wertvollstes Kleidungsstück beschrieben. Unser Körper ist ein Lerninstrument und uns so lange dienlich bis wir unsere Lernerfahrung hier vollendet haben.

Top 5 Dinge, die wir bereuen

Bronnie Ware beschreibt in ihrem Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ die Dinge, für die wir -- kurz vor dem Tod -- am meisten Reue empfinden. Ich persönlich habe das Buch zwar nicht als gut lesbar empfunden, dennoch finde ich, dass ihre Erkenntnisse aus den Interviews mit Todkranken sehr wachrütteln. Die Menschen, die Ware interviewt hat, blicken auf ihr Leben zurück und nennen uns folgende Dinge, die sie mehr hätten tun sollen:

  1. Sich selbst treu bleiben
  2. Nicht so viel arbeiten
  3. Gefühlen Ausdruck verleihen
  4. Kontakt zu Freunden halten
  5. Sich mehr Freude gönnen

Jetzt kannst du dich wieder hinterfragen, welche dieser fünf Punkte du versäumst derzeit zu leben. Bist du dir selbst immer treu oder versuchst du — was eh hoffnungslos ist — den Ansprüchen anderer gerecht zu werden? Arbeitest du die meiste Zeit — auch in deiner Freizeit — weil du deine Arbeit mit dir und deinem Wert gleichsetzt? Oder weil du vor Dingen wegläufst?

Wann hast du das letzte Mal jemanden wirklich mitgeteilt, wie du dich wirklich fühlst? Ich meine, wirklich fühlst und nicht nur die gesellschaftlich akzeptierte Version deiner Gefühle. Warum hast du solche Bedenken? Glaubst du, wenn jemand weiß, wie es wirklich in dir aussieht, dass er oder sie dich nicht mehr lieben kann oder wird? Meist sind diese Ängste — dass wir nicht mehr geliebt werden könnten — komplett unbegründet. Dennoch bestimmen sie einen Großteil unserer Gedanken, Gefühle und Handlungen.

Das Sterben als Lehrer und Bewusstmacher

Wir können von all dem, was wir an Material in dieser Welt anhäufen nichts mitnehmen, wenn wir sterben. Jeder liebevolle Gedanke jedoch ist ewig. Eine Sache, die Menschen mit Nahtoderfahrungen immer wieder betonen ist, dass wenn sie auf dieser anderen Bewusstseinsebene sind, es nur eine Frage gibt, die wirklich zählt: „Hast du dein Leben in Liebe gelebt?“

Was wäre deine jetzige Antwort?

Wir brauchen keine Angst vor dem Tod haben. Der Tod unseres Körpers muss — während wir leben — nicht unser Feind sein, sondern kann unser Freund sein. Wir können zulassen, dass wir durch diese Tatsache unser menschliches Dasein in eine sinnvolle Perspektive rücken. So wie Steve Jobs zum Beispiel. Der Tod, der unsere Lebenszeit hier beendet, hilft uns immer wieder, nicht so viel Zeit mit unwichtigen Dingen zu vergeuden. Er kann so ein Freund und ein Lehrer für uns sein, der uns immer wieder daran erinnert, was wirklich zählt.

Was du heute kannst besorgen…

Was verschiebst du immer wieder in die Zukunft und denkst, dafür ist noch Zeit? Ist es eine Entschuldigung, die längst fällig ist? Oder vielleicht ist es ein Anruf, um einer Person, die dir nahe steht, mal wieder mitzuteilen, wie dankbar du bist, dass es sie gibt? Ist es vielleicht sogar, dass du dich immer noch nicht traust jemandem zu sagen, dass du sie oder ihn gern hast und denkst, dass sich irgendwann schon der „richtige“ Moment ergeben wird?

Was bewahrst du dir auf und lebst es nicht jetzt schon?

Vielleicht ist es manchmal auch wichtig, mutig zu sein und dieses kleine Risiko einzugehen, dass dich jemand ablehnt oder dass deine Entschuldigung nicht angenommen wird. Dennoch: Wenn du danach handelst, kannst du diese eine Sache zumindest nicht mehr bereuen, wenn du auf dein Leben zurückblickst. Und Reue ist ein unglaublich ungemütliches Gefühl. Das Gefühl, etwas versäumt zu haben zu tun, von dem man weiß, dass man es hätte tun können. Reue, nicht alles gegeben zu haben oder den Moment verpasst zu haben.

Das Leben besteht aus so vielen Einladungen, zu wachsen und eine bessere Version von uns zu werden. Mit besserer Version meine ich nicht, dass du effizienter oder gar materiell erfolgreicher wirst. Ich meine damit: Bist du liebevoller, gütiger, verzeihender, lebensfroher, glücklicher, hilfsbereiter, emphatischer und in dir ruhender geworden? Hast du dein Leben endlich als ein Geschenk und Einladung zum Wachsen verstanden?

Live like you were dying

Ich glaube nicht an Zufälle.

Ich bin davon überzeugt, dass wir dann gehen, wenn unsere Zeit gekommen ist. Auch wenn wir als Hinterbliebene hier auf der Erde uns manchmal wundern darüber, wie ein so junger Mensch schon so früh wieder gehen „musste“.

Ich hab keine Angst vor dem Tod. Aber nur, weil ich an den Tod, wie wir ihn aus dem dominanten Diskurs kennen, nicht glaube. Meine Angst -- wenn ich es so nennen will -- ist, nicht vollkommen lebendig zu sein während ich dieses Leben lebe oder zu versäumen, das Leben richtig zu spüren. Ich möchte nie verlernen, auch Risiken einzugehen, um das Leben und alle Chancen zu nutzen. Wir alle verlassen diesen Körper irgendwann wieder. Wie wir dieses Leben in der Zwischenzeit leben (liebevoll am besten) und ob wir ein Leben leben, was sich sinnvoll anfühlt und für mehr als nur uns selbst da ist, das ist unsere Wahl und worauf es ankommt.

Letztendlich ist Sterben für mich nur ein Übergang in eine andere Form des Lebens wobei das Leben auf der Erde eine Art Wachstumsschule für mich darstellt. Manchmal denke ich, wir haben Angst das Leben authentisch zu leben und wir haben Angst, zu sterben. Ist das nicht paradox, wie kompliziert wir Menschen sein können? Am Ende möchte ich in der Lage sein, zu sagen: "Ich hatte ein gutes und gesegnetes Leben. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich bereue nichts."

Nur Liebe ist wahr

Eines, was wir alle als Menschen lernen müssen, so Kübler-Ross, ist bedingungslose Liebe. Auch Ein Kurs in Wundern sagt, dass unsere einzige Aufgabe als Menschen darin besteht, zu vergeben, um zurückzukehren zur Liebe. Ich sage es immer und immer wieder: Die Wahrheit ist eins und kommt zu uns über verschiedene Kanäle. Die Frage ist immer wieder: Bist du bereit zuzuhören?

Ich weiß, dass unser Bekannter jetzt wieder dort ist, wohin wir alle zurückkehren werden. Davon überzeugt, dass er jetzt von einem unsagbar hellem Licht umgeben und bedingungslose Liebe um sich herum spürt, bin ich auch. Ich hoffe, dass er auf sein letztes menschliches Dasein mit Liebe, Freude, Stolz und Dankbarkeit zurückblickt und jetzt denkt: „Ich hatte eine gutes Leben und bereue nichts.“

Mögest du in Frieden und Freude sein. Wir sehen uns wieder. Davon bin ich überzeugt.



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Wenn man an den Tod bzw. ans Sterben denkt, dann überkommt einem häufig sofort die Trauer. Der Tod wird heutzutage als etwas ziemlich schlimmes gesehen. Ich denke, so ist das Leben und er gehört nun mal dazu. Seitdem ich weiß, dass nur unserer physischer Körper stirbt und die Seele trotzdem weiter lebt, sehe ich den Tod nicht mehr als etwas schlechtes. Wir können dankbar für all die Erfahrungen, die wir hier auf der Erde machen dürfen. Es ist ein absolutes Geschenk des Universums!

Danke, danke, danke! Genau: Der Tod ist nicht ein Feind, sondern ein Bewusstmacher, der uns hilft das Leben in diesem Körper noch mehr wertzuschätzen, wenn wir denn nur einfach unsere Perspektive anpassen, um genau das zu sehen.

Das ist schon ein sehr schweres Thema.
Viele drücken sich davor, sich darüber Gedanken
zu machen.
Das Buch von Bronnie Ware finde ich sehr
inspirierend. Die angesprochenen 5 Dinge sind
interessante Punkte, mit denen sich jeder
hinterfragen sollte.
Vielleicht können wir auch viel von unseren
älteren Verwandten, Bekannten, Mitmenschen
lernen, wenn wir sie besuchen.
Das Erinnern und Wertschätzen von Menschen,
welche von uns gegangen ist ist ein wertvoller
Bestandteil im eigenen Leben.

Vielen Dank für die inspirierenden Worte.
Viele Grüße.

Danke dir für deine Rückmeldung. Ich denke auch, dass wir viel von den älteren Menschen um uns herum lernen können, wenn wir uns die Zeit nehmen, hinzuhören und hinzusehen.

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