„Ich müsste weiter sein“
"Die Lieblingsnummer unseres Verstandes – ich glaube, das ist kollektiv – ist die Einflüsterung: ‚du solltest weiter sein. Du bist noch nicht ganz richtig. Wenn das und das noch dazukommen würde, ja dann kannst du entspannen. Aber jetzt fehlt noch etwas.‘ Das ist das Suchen nach dem was fehlt. Und auch das gehört zum Menschsein.
Und immer wenn wir fühlen ‚ich bin nicht ganz richtig, ich sollte weiter sein und ich sollte besser sein oder klüger oder schöner‘ oder was auch immer dein Ding ist, ist darunter die Urschuld der Trennung. Im Einssein mit allem kommt das nicht auf. Es braucht die Illusion des Getrenntseins, zum Beispiel von einem Ziel, wo ich hinmöchte, das mich daran hindert, das jetzt anzunehmen.
Wir müssen uns nicht mit jeder einzelnen Welle beschäftigen, das ist auch unmöglich. Aber wir dürfen in die Energie dahinter spüren. All diese Wellen und diese Gedanken, Gefühle, usw. werden aus einer Energie dahinter gespeist. Und die ist meistens unbewusst.
Und wenn wir dann an einem Moment durch den ganzen Tumult hindurch in den tieferen Grund hineinspüren und vielleicht sogar durch Gnade in der Lage sind, innerlich loszulassen, uns fallen zu lassen, dann erscheint dieses Fallen vielleicht in den ersten Momenten wie ein Absturz in den Abgrund, in die Dunkelheit, in das Nichts. Und es kommen wahrscheinlich viele Angstimpulse, die das stoppen wollen.
Und wenn durch Gnade du bereit bist, weiter loszulassen, tiefer zu sinken, verwandelt sich das Bodenlose sehr oft früher oder später in ein Schweben, in einen Raum. Und dieser Raum kann leer sein. Unendlich weit, aber er ist leer. Und wenn der Verstand auch in diese Leere hinein entspannt, erleben wir unsere Grenzenlosigkeit."
Seminar "SACRED SPACES - Wahre Freiheit und höchste Klarheit" 2018
Nebel am frühen Morgen in Maria Waldrast
(geteilt von Timo, Foto Irene Siegl)