Wie ich 'mal versucht habe mit der Pegida zu reden.

in #deutsch7 years ago (edited)

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Neulich dachte ich mir einmal:
"Es ist undemokratisch, wenn man nicht mit jemandem redet, nur weil er eine andere Gesinnung hat, es ist wichtig, andere Menschen zu verstehen. Schließlich sind wir eine Gemeinschaft."

Die AfD freut sich ja über die Steilvorlagen der anderen Parteien, wenn diese einfach auf Ignorieren schalten und setzt dies dann wirksam für den eigenen Wahlkampf ein. Schließlich wird durch so ein Verhalten ja die Meinungsfreiheit gefährdet.

Da dachte ich mir: "Das mit dem Ignorieren, das machst Du jetzt 'mal nicht so wie die anderen. Kindergarten war früher. Gehst als erstes auf die Facebook-Seite der Pegida und guckst Dir an, was die besorgten Bürger dort so umtreibt und versuchst mit ihnen zu reden."
Ich bin immer dafür, sich selbst ein eigenes Bild zu machen und offen auf die Welt und ihre Bürger zuzugehen.

So weit so gut. Pegida? Gibt es die überhaupt noch? Ja. Tut es.
Was ich an Dingen, die die Leute dort umtreiben, mitbekommen habe:
vor allem Angst, dass Deutschland sich selbst abschaffen könnte (whatever that means) und Angst vor dem Islam. Und vor der EU.
Wobei auf dieser Facebook-Seite aus Angst schon eine ganz ordentliche Selbstüberzeugung gepaart mit Wut und Hass geworden ist.

Was mir besonders auffiel, waren die Pauschalisierungen, mit denen diese Emotionen geschürt werden: Muslime und der Islam sind per se gefährlich, Zuwanderer sehr kriminell, die Presse lügt sowieso nur, die EU und die Altparteien arbeiten systematisch an Deutschlands Selbstabschaffung und am allerschlimmsten ist sowieso die Merkel. Und alle Posts aus den Medien dienen dazu, diese Ansichten zu untermauern. Es finden sich dementsprechend auch nur passende Posts dazu.

Ich habe dann angefangen, der Pauschalisierung entgegenwirkende Kommentare zu geben. Zu relativieren in "sowohl/als auch" und "es gibt solche und solche", auch unter gebürtig Deutschen...

Was passierte: es war dann doch recht schnell Ruhe im Karton.
Ich habe ja eher mit Shitstorms gerechnet. Aber zum Großteil kam einfach eher: nix.

Was ich für mich persönlich ja positiv werte: Wenn anders Gesinnten das "Aber" ausgeht, habe ich etwas bewegt. Ob das stimmt, ist eine andere Frage, aber zumindest macht mir diese Einstellung Mut.

Mit Unterbrechungen habe ich dort etwa zwei Stunden lang mein "Unwesen" getrieben.

Als ich dann ein weiteres Mal auf die Seite gehen wollte, waren alle meine Posts verschwunden, die spärlichen Kommentare dazu auch und die Kommentarfunktion war für mich abgeschaltet. Beiträge mit "gefällt mir" markieren wäre noch gegangen. Aber ich habe dort nichts gefunden, was mir gefiel.

Also wenn jemand die Pegida einmal nach Demokratie und Meinungsfreiheit schreien hören sollte: die sind nicht die Richtigen, um sich für diese Themen stark zu machen!

War zwar vorher schon meine Vermutung, aber nun wäre das quasi bewiesen.

Auf der AfD-Facebook-Seite war ich auch schon zum Relativierungszweck unterwegs. Ich werde mir dafür eventuell sogar noch einen extra Account anlegen.

Die haben mich im Übrigen nicht gesperrt. Wer gerade einmal Lust hat, über Politik zu diskutieren und in die Dunkelkammer mancher Köpfe etwas Licht zu bringen, dem kann ich die Facebook-Seite der AfD nur empfehlen, es gibt dort Potential dazu und man kann damit viel Zeit verbringen.

Ganz wichtig nur: sobald es aufregt Pause machen. Immer sachlich und freundlich bleiben, auch wenn man auf ganz hartnäckige Fälle trifft, bei denen Fakten und Argumente nichts bewirken. Gilt für politische Debatten eigentlich immer.
Leben und leben lassen.

Die, die dort äußern, sie hätten gern den mit dem Oberlippenbärtchen zurück, mit denen versuche ich gar nicht erst ein Gespräch. Und ja, solche Leute gibt es auf der AfD-Facebook-Seite. Es gibt Sachen, die sind für mich einfach indiskutabel. Die Beweihräucherung des Dritten Reichs zählt für mich dazu.

AfD und Pegida stehen sich verhältnismäßig nahe.
Wie man an meinem Beispiel sieht, ist es am rechten Rand mit der Meinungsfreiheit schnell nicht mehr weit her. Ist die AfD damit eine Partei, die man unter diesem Gesichtspunkt sehr gut beobachten muss? Ich denke ja.

Parteien sind fluktuierende Systeme, deren aktuelle Richtungstendenzen von den Mitgliedern bestimmt werden, die sich dort gerade so tummeln.
Just to keep in mind.

Ich möchte dazu noch sagen, dass ich extremistische Einstellungen generell für mich ablehne. Da ich der Überzeugung bin, dass dies immer dazu führt, dass Menschen von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

Es ist jedoch kein Leichtes, zu entscheiden, ab welchem Punkt eine extremistische Einstellung beginnt. Jeder von uns darf sich selbst fragen, in wieweit er selbst Potential dazu in sich trägt.

Aber das (mit den Worten Michael Endes) ist eine andere Geschichte. Und soll ein anderes Mal (ausführlicher) erzählt werden.

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Danke fürs Teilen und dein persönliches Experiment. Mich haben die letzten AfD Wahlergebnisse ziemlich schockiert und tief getroffen. Ich bin selbst kein politischer Mensch aber vll wird sich das ja mit dir ändern. Ich danke dir und hab einen schönen Abend:-)

Sehr guter Beitrag. Ich finde es interessant, dass die, die behaupten, es würde ja nur zensiert werden, selbst zensieren. Dazu fällt mir folgender Beitrag von Linus Neumann ein. Er hat auch gezeigt, dass man solche Gruppierungen schnell entlarven kann:

Ich muss gestehen, dass ich einzelne Positionen nachvollziehen kann, vermute aber auch, dass sie bei einigen nicht entstehen, weil sie sich ausführlich und anhand verschiedener Meinungen zum selben Thema informiert hätten, sondern weil sie schlicht Angst haben. Es gibt da schon einen Unterschied. Das merkt man z.B. am Lösungsansatz, den verschiedene Menschen, die dasselbe Problem sehen/haben, vorschlagen.

:-) Hallo @antikesdenken! Ich hatte jetzt endlich Zeit, um mir Deinen Link anzugucken!! Ich finde den Beitrag ganz wunderbar! Linus Neumann bringt es auf so einfache, verständliche Art rüber! Ich danke Dir sehr dafür! Klar, ist Angst ein großer Antrieb dahinter. Und zu wenig in Frage zu stellen, womit die in den Medien oder durch gewisse Parteien unterfüttert wird. Vielen Menschen ist ihre eigene Angst aber gar nicht bewusst. Ist ja auch so ziemlich das "Uncoolste" überhaupt, Angst zu haben. Im Prinzip geht es darum, das zu durchschauen. Obwohl Menschen da teils hasserfüllt oder sehr erregt ihre Meinungen äußern, trotzdem zu verstehen, dass hintergründig Angst vorhanden ist. Die man auch durchaus ernstnehmen darf. Ich denke, das ist es auch, was Linus vermitteln will. Nicht der böse Troll sein, sondern realisieren, dass da immer Menschen dahinterstecken, die auch begründet so sind, wie sie sind. Den Hass nicht zu ernstnehmen. Wie gesagt, bei Menschen, die sich das Dritte Reich zurückwünschen, ist meine Schmerzgrenze. Und bei den anderen hinter die Maske blicken, versuchen auf positive Art Menschen umzustimmen.Ganz liebe Grüße!! der brainnipper ^^

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