leben mit dem Mindestlohn

Als Putzfrau kann man unter Umständen ganz ordentlich verdienen - wenn man an die richtige Firma gerät.
Aber, wie so oft in meinem Leben, hab ich auch in diesem Punkt die Arschkarte gezogen.

Mit lächerlichen 12 Cent mehr als der gesetzliche Mindestlohn schufte ich täglich neun Stunden.
Laut Vertrag müsste ich in der Frühschicht eigentlich erst um sechs Uhr anfangen, weil wir aber sowas von unterbesetzt sind, fang ich schon um fünf Uhr an, damit ich wenigstens halbwegs mit meiner Arbeit fertig werde.
Auf höfliches Nachfragen, ob man womöglich noch ein paar Leute als Unterstützung einstellen könnte, kam bloss die abwimmelnde Antwort vom Chef, 'wir hätten das doch bis jetzt recht gut hinbekommen, das würden wir auch weiterhin schaffen'.
Und deshalb müssen wir in der Frühschicht zu dritt neun bis zehn Abteilungen abarbeiten.
Das Ganze muss unter enormem Zeitdruck passieren, weil auf eine Person drei bis vier Abteilungen kommen und als hätte man mit dem Zeitdruck nicht schon genug zu kämpfen muss man sich auch noch mit den Arbeitsutensilien rumärgern, die die meiste Zeit kaputt sind.
Der Zeitdruck ist deshalb so groß, weil jeder Bereich sauber sein muss, bevor die Gäste kommen. Der Schwimmbereich öffnet um acht Uhr und der Saunabereich um neun Uhr.
Und als ob wir mit unserer eigentlichen Arbeit nicht schon beschäftigt genug wären, werden uns regelmäßig zusätzliche Arbeiten aufgehalst, wie das Abstuhlen des Gastrobereiches oder Salz streuen, wenn es draußen glatt ist.

Eigentlich freut sich doch jeder über ein freies Wochenende oder einen Feiertag an dem man mal ausschlafen kann.
Da wo ich arbeite ist man gezwungen an den Wochenenden und an Feiertagen zu arbeiten, weil man hofft, dass man durch die Zuschläge einmal einen Monat hat, in dem man sich nicht entscheiden muss, ob man mal wieder mit seinen Freunden was trinken geht oder ob man sich doch lieber Lebensmittel kauft.
So etwas wie Weihnachtsgeld oder Erfolgsprämien gibt es in diesem Betrieb nicht.
Das einzige Lockmittel, das es gibt ist ein Bonus von 50€, wenn man ein Jahr lang nicht krank war, war man zwei Jahre lang nicht krank, bekommt mann 100€ usw.
Wenn man aber doch mal zwischendurch krank geworden ist, fängt der Quatsch wieder bei 50€ an.

Als vor Kurzem eine Kollegin nach einer Lohnerhöhung gefragt hat, wurde abgelehnt mit der Begründung, die Stromkosten seien zu hoch.
Das war genau eine Woche bevor der Chef mit dem Geschäftsführer, dem Techniker und dem Küchenchef zu ihrem alljährlichen Urlaub in die Vereinigte Staaten aufgebrochen sind.
Dass diese Reise keiner aus der eigenen Tasche bezahlt hat, brauch' ich wohl nicht zu erwähnen...

Wenn es dann mal wieder Zeit für eine Teamleiterschulung ist, wird vorher im Internet recherchiert, an welches schöne Plätzchen diesmal gefahren werden soll.
Sobald ein idyllisches Wohlfühlhotel gefunden worden ist, versammeln sich nicht nur die Teamleiter, die teilnehmen dürfen, sondern auch noch ein Anhänger, gefüllt mit allerlei Lebensmittel, Fleisch vom Ibericoschwein, Getränke, Spirituosen aller Art, man will sich schließlich fortbilden auf der sogenannten "Teamleiterschulung".
Dass auch diese alljährlichen Saufgelage komplett von der Firma finaziert werden, muss ich wohl auch nicht erwähnen...
Am Ende des Jahres, für die einen ein Jahr mit Kampf ums Überleben, für die anderen ein Kampf gegen die vielen Kater, wird zur Weihnachtsfeier eingeladen, bei der man sich dann bei der Eröffnungsrede anhören darf, wie hoch die Stromkosten waren.
Danach bekommen die Teamleiter einen Umschlag ausgehändigt, sogar die, die gar kein Team leiten, in dem ihre Teamleiterprämie mit 250€ drin sind.

Der Rest bekommt einen Amazongutschein im Wert von 30€.

Aber wozu sich beklagen, man hat doch schließlich einen Arbeitsplatz. In der Gesellschaft ist man nämlich nur etwas Wert, wenn man eine Arbeit hat, egal wie schlecht bezahlt sie ist.
Das hör' ich komischerweise immer wieder, dass ich doch zum Glück einen Arbeitsplatz habe...
Warum das ein Glück sein soll, versteh' ich allerdings nicht ganz.
Ich muss mich den ganzen Tag mit Dingen rumärgern, die mich nicht interessiern, ich verbringe jeden Tag mehr Stunden mit Leuten, die mich ankotzen als mit Menschen, die mir lieb sind, Freizeit habe ich so gut wie gar nicht mehr, ich bin die meiste Zeit so gestresst, dass ich mich oft selbst dabei ertappe, wie grimmig ich herumlauf'.
Mit Lebensqualität hat das nichts mehr zu tun.

Und das für den Mindestlohn !?!?

Quelle: 1, 2, 3